Immortal 3 - Schwarze Glut
Sextour war sie wohl kaum angemessen gekleidet. Mit ihrem weiten dicken Pullover, der pludrigen Jeans und 97
den schweren Stiefeln war sie eher für eine Winterexpedition zum Loch Ness gerüstet. Nein, sie gehörte eindeutig nicht zu Leannas üblicher Klientel.
Zudem schien sie alles andere als froh, hier zu sein. Er würde sie als hübsch beschreiben, wäre ihre Haltung nicht so voller Grimm. Sie hielt den Rücken betont gerade und hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen. Ihr wunderschönes Haar war nicht offen wie in seiner Vision, sondern hinten zu einem dicken Zopf gefl ochten. Die alberne blaue Strähne war an ihrer linken Schläfe zu erkennen.
Kalen bemerkte den Mann hinter ihr und sah genauer hin. Nein, das war kein normaler Mann, sondern ein Selkie – ein Gestaltwandler in menschlicher Form. In seinem fl ießenden Poetenhemd strahlte der Robbenmann eine rohe sinnliche Magie aus, wie sie seine Art gern nutzte, um Menschen des entgegengesetzten Geschlechts in ihren Bann zu ziehen. Kalen beobachtete gespannt, wie der Selkie sich dicht hinter die Hexe schlich. Als er ihr seine eleganten Hände auf die Schultern legte, fuhr sie zusammen und wehrte ihn ab. Der Selkie lächelte und zog sie zu sich zurück. Nun trat die Hexe verärgert einen Schritt zur Seite.
Kalen schnaubte leise. Wenige Menschenfrauen konnten dem Reiz eines Selkies widerstehen. Wenige wollten es überhaupt. Selkies zählten zu den heißesten Touristenattraktionen im nördlichen Schottland. Frauen aus der ganzen Welt reisten in der Hoffnung hierher, mit einem von ihnen im Bett zu landen. Diese Kreaturen waren mehr als arrogant und nahmen Zurückweisungen gar nicht gut auf. Folglich spielte die Hexe mit dem Feuer, wenn sie Desinteresse heuchelte, um die Lust des Selkies zu entfl ammen.
Kalen drehte sich halb zur Seite, so dass er die Hexe aus dem 98
Augenwinkel weiter beobachten konnte, während Leanna mit ihrer Zeremonie begann. Heute Nacht würde sie zusätzlich zu ihrem sonstigen Programm noch einen Fruchtbarkeitszauber wirken, um vor ihrem Liebesakt die Kraft der Steine anzurufen. Leanna stieg von dem Grabmal und glitt wie eine Königin durch die Touristen mit den roten Eintrittskarten. Ihr OgerLakai, Dougal, wartete am Waldrand, bis alles vorbei war. Darüber war Kalen froh, denn er konnte diesen Halbblutgrobian nicht leiden. Die Sidhe in dem Kreis waren nicht besser und noch unberechenbarer. Sie alle waren Ausgestoßene oder Abtrünnige, die sich um niemanden scherten als sich selbst. Leanna hatte sie im Griff, weil sie alle großzügig für ihre Teilnahme an dieser Touristenvorführung entlohnte.
Heute Nacht spielten die Sidhe ihre Rollen perfekt. Leanna begann mit einem langsamen erotischen Kreistanz, bei dem sie sich schlängelnd durch die Tanzenden bewegte und einen Zaubergesang anstimmte, der ihre Chancen erhöhen sollte, einen Unsterblichen zu empfangen. Kalen beobachtete sie. Ihr enges Korsett drückte ihre Brustspitzen vor, so dass es wie eine aufdringliche Einladung zum Sex aussah. Und eigentlich sollte er entsprechend erregt sein, doch das war er nicht. Wegen der Hexe. Seit er vergeblich versucht hatte, ihre Züge in Kohle zu bannen, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Und jetzt war sie nicht einmal mehr nur ein Traum. Sie war wirklich hier.
Er blickte wieder zu ihr, als die Sidhe sich in Zweier-und Dreiergruppen mit den Touristen zusammentaten. Jenseits des Kreises bildeten die Zuschauer ebenfalls Paare oder Grüppchen, und die Hexe blieb, wie Kalen nicht anders erwartet hatte, mit dem Selkie übrig. Er ärgerte sich, als der Gestaltwandler 99
eine Hand hob und über die Wange der Hexe strich. Sie zuckte sofort angewidert zurück. Wie Kalen bemerkte, löste sich ihr Zopf allmählich auf. Inmitten der schweren dunklen Locken schimmerte die blaue Strähne im Fackellicht. Der Selkie kam näher und fl üsterte ihr etwas ins Ohr. Die Hexe erstarrte, bevor sie ihn von sich stieß. Unwillkürlich nickte Kalen zufrieden.
Dann beugte der Selkie den Kopf und knabberte sanft an ihrem Hals, gleich unterhalb des Ohrs. Bei jeder Frau war diese Stelle besonders empfi ndlich. Die Hexe fi ng an, sich zu wehren, schloss dann aber die Augen und erschauderte sichtlich. Beinahe schmiegte sie sich in die Arme des Selkie. Hades! Kalen wurde sehr ärgerlich, obwohl er nicht sagen konnte, was ihn störte. Schließlich konnte ihm egal sein, ob die Hexe für den Selkie die Beine breit machte. Dennoch war es ihm unmöglich, die Augen von
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