Immortal after Dark 10 - Versprechen der Ewigkeit
blende.
»Ich glaub, der fliegt bis ans Ende der Weeeelt!«, schrie sie.
Sie kann unmöglich eintausend Jahre alt sein.
Nachdem sie also ihre Pflicht getan hatte, zog sie ein Satellitentelefon aus einem Halfter an ihrem Gürtel. Sie schien eine SMS zu schreiben, wobei ihre Finger so schnell über die Tastatur flogen, dass sie nur verschwommen zu sehen waren. Dann schlenderte sie zu ihrem Wagen und sprang hinein. Der Motor schnurrte wie ein Kätzchen, nachdem sie ihn angelassen hatte. Sie fuhr vor das Haus, drückte kräftig auf die Hupe und ließ sämtliche Fenster herunter.
»Nïx!«, brüllte sie. »Schwing sofort deinen Arsch hier raus!« Mit leiserer Stimme fügte sie an die Hexen gewandt noch etwas hinzu, woraufhin diese in schallendes Gelächter ausbrachen. Aber als Regin sich von ihnen abwandte, verschwand ihr freches Grinsen, und sie wirkte besorgt.
Eine weitere Walküre kam aus diesem Irrenhaus geschlendert, eine Schwarzhaarige mit leerem Blick, die etwas im Arm wiegte, das wie eine paralysierte Fledermaus aussah.
Das musste Nïx die Allwissende sein, die mächtige Hellseherin. Auch wenn sie aussah, als ob sie gerade mal Mitte zwanzig wäre, war sie doch eine der ältesten – und verrücktesten – Unsterblichen, die ihm bekannt waren.
Sie trug einen langen Rock aus fließendem Stoff, Cowboystiefel und ein T-Shirt, auf dem in großen Blockbuchstaben WALKÜRE stand, zusammen mit einem Pfeil, der auf ihr Gesicht deutete.
Sie konnten es einfach nicht lassen, sich in den Vordergrund zu spielen. Was für eine Arroganz. Gott, wie er sie hasste.
Auch sie übergab den Geistwesen eine Haarsträhne – vielleicht eine Art Maut? –, ehe sie zu Regin ins Auto stieg und den Hexen noch eine Kusshand zuwarf. Dann fuhren die beiden Walküren davon, wobei aus der Anlage irgendein dämlicher Song plärrte, dessen einziger Text aus »Da-da-da« zu bestehen schien. Beide nickten im Takt zur Musik mit den Köpfen.
Als sie an ihm vorbeifuhren, zog er sich mit pochendem Herzen tief ins Gebüsch zurück. Aber die Dunkelhaarige drehte sich um und sah ihn mit unheimlichen goldenen Augen direkt an.
Seine Nackenhärchen richteten sich auf, als ihre Lippen stumm die Worte formten: »Du bist spät dran.«
Regin die Strahlende spürte, dass ihr irgendein Feind dicht auf den Fersen war, während sie über die dunklen Landstraßen raste.
Aber sie hatte im Moment einfach nicht die Zeit für einen Kampf um Leben und Tod. Regin musste Lucia erreichen, ehe es zu spät war.
Sie stellte den Rückspiegel ein. »Werden wir verfolgt?«
Nïx nickte glückselig. »Wie immer.« Sie tippte sich mit dem Zeigefinger ihrer freien Hand gegen das Kinn. »Weißt du was? Da meint man, es gefällt einem nicht, aber wenn es mal nicht so ist, vermisst man es.«
Regin sah ihre Schwester mit finsterem Blick an und gab sich alle erdenkliche Mühe, Bertil – die Fledermaus, die Nïx trug – zu ignorieren. Sie war das Geschenk eines heimlichen Bewunderers. »Nachdem wir nun auf dem Weg zum Mythenhafen sind, solltest du mir vermutlich mal erzählen, wohin ich heute Abend fliege.« Nïx’ letztem Bericht zufolge hielt sich Lucia ausgerechnet am Amazonas auf.
»Hmm. Sollte ich mich daran erinnern?«
»Hallo!? Ich treffe mich mit Lucia. Die sich darauf vorbereitet, Cruach zu töten, ihren schlimmsten Albtraum.« Crom Cruach war der uralte gehörnte Gott der Menschenopfer und des Kannibalismus. Er war zudem das Ungeheuer, das Lucia hereingelegt und dazu verführt hatte, Walhalla zu verlassen. Alle fünfhundert Jahre versuchte er, seinem Gefängnis zu entkommen. Die letzten beiden Male war es Lucia – mit Regin als erprobter und zuverlässiger Gefährtin an ihrer Seite – gelungen, mithilfe von ein wenig Gewalt zu verhindern, dass er auf Hafturlaub entlassen wurde. »Klingelt da vielleicht irgendwas bei dir, Nïx?«
Pure Verständnislosigkeit.
»Bei den Göttern, für so was hab ich jetzt wirklich keine Zeit!« Lucia war ganz allein da draußen, und schon bald würde sich Cruach erneut erheben. Und ausgerechnet jetzt musste Nïx total abdriften?
»Schrei nicht so«, tadelte Nïx sie. »Sonst verletzt du noch Bertils Ohren, und die braucht er doch zur Echoorientierung.« Ihr Blick war sogar noch leerer als sonst, während sie ihr neues Haustier auf eine Weise streichelte, die deutlich zeigte, dass sie das Tierchen vermutlich nie wieder loslassen würde. In letzter Zeit waren die Visionen über die Zukunft nur so auf sie eingeprasselt, und das
Weitere Kostenlose Bücher