Immortal: In den Armen der Dunkelheit
geplant hattest. Ich rief deinen Namen, um dich wissen zu lassen, dass ich es bin, aber du hast mich offenbar nicht gehört. Egal, jetzt bin ich hier, und wir sollten schleunigst verschwinden – es sei denn, du möchtest bleiben.«
Grinsend half Jenna ihm auf, worauf er sie umarmte und küsste. Es war ein kurzer Kuss, denn für mehr fehlte ihnen die Zeit. »Ich bin so froh, dass du da bist! Wie konntest du den Sturz überstehen?«
»Ich besitze verrückte Talente, schon vergessen? Sobald ich merkte, dass ich fiel, nahm ich Adlergestalt an und flog davon.«
»Du hättest weiterfliegen sollen.«
Er legte beide Hände an ihre Wangen und blickte ihr in die Augen. »Ich würde dich niemals verlassen. Also, lass uns gehen!«
»Wohin?«
»Runter von dem Schiff. Es gibt übrigens wirklich keine Rettungsboote, das habe ich aus der Luft überprüft. Wir müssen leider schwimmen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie weit es bis an Land ist, aber ich kann ganz bestimmt nicht so weit schwimmen.«
»Musst du auch nicht. Als Delphin kann ich dich ziehen.«
Lange musste sie nicht überlegen, denn ihnen blieb keine andere Wahl. »Einverstanden.«
»Das ist mein Mädchen!« Er gab ihr einen Kuss und zog sie mit sich zur Tür.
Sie verließen die Kabine und gelangten zum nächsten Außendeck, ohne dass sie aufgehalten wurden. Die Geister spielten weiter harmlose Passagiere und lächelten Jenna und Dave höflich zu, als sie an ihnen vorbeigingen.
Sobald sie draußen waren, führte Dave sie zur Schiffsseite und wollte ihr gerade über die Reling helfen, als sie beide Schritte hörten und sich umdrehten.
»Conrad!«, hauchte Jenna entsetzt.
Dave stellte sich schützend vor sie. »Wir verschwinden von hier, und Sie halten uns nicht auf!«
»Zu spät!«, erwiderte Conrad. »Wir sind schon da.« Er zeigte auf das Meer, wo sich ein dichter Vorhang aus weißem Nebel in alle Richtungen erstreckte, so weit das Auge reichte.
»Was zum …« Jenna hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Fragend drehte sie sich zu Conrad um, als erwartete sie eine Erklärung, aber er lächelte nur, bevor er zur Reling lief und über Bord sprang.
Sprachlos beugten Dave und Jenna sich über das Geländer. Von Conrad war nichts zu entdecken. Keiner von ihnen wollte aussprechen, was sie beide dachten: dass Conrad sich offensichtlich lieber umbrachte, als durch diesen unheimlichen Nebelvorhang zu dringen.
Eine Flucht hatte somit keinen Sinn mehr. Sie konnten den Nebel nicht besiegen. Hell, undurchdringlich und bedrohlich waberte er vor ihnen.
Und dann war er bei ihnen. Als der Schiffsbug in den Nebel stieß, stolperte Jenna zurück und zog Dave mit sich. Ihre Haut kribbelte so, wie sie es zuvor schon getan hatte. Hier war Magie am Werk, eine sehr mächtige sogar.
Dave packte ihre Hand, und sie rannten in Richtung Heck, weg vom Nebel. Jennas Beine hatten Mühe, mit Daves Tempo mitzuhalten.
Ein kurzer Blick über ihre Schulter genügte, dass ihr Herz sich beinahe überschlug. Der Nebel hatte bereits ein Drittel des Schiffes verschlungen.
Das Magiekribbeln wurde schlimmer denn je. Zu bald erreichten sie das Schiffsende. Als sie sich gegen die Reling lehnte, um Atem zu schöpfen, sah sie Wasser um sich, sonst nichts. Sie konnten nirgends mehr hinlaufen.
Sie drehte sich um. Von dem Schiff war nur noch die Hälfte zu sehen, der Rest verlor sich im Nebel. Eine unnatürliche Stille senkte sich über alles, als die Passagiere auf den unteren Decks zu verschwinden begannen. Wo würden Dave und sie als Nächstes landen?
»Was tun wir?«
»Verdammt!«, fluchte Dave. »Ich kann mich nicht verwandeln.« Er war eindeutig wütend.
»Vielleicht kann ich etwas tun …« Sie streckte ihre Hände aus, konzentrierte ihre Gedanken und versuchte, ihre Magie herbeizurufen. Vor Anstrengung traten ihr Schweißperlen auf die Stirn – oder war es der Nebel?
Inzwischen war das Schiff größtenteils in den Dunst getaucht, so dass nur noch das kleine Stück vom Heck übrig blieb. Jenna gab auf. Die Magie, die hier wirkte, war weit stärker als ihre oder Daves.
Dave breitete seine Arme aus, und sie schmiegte sich hinein. »Was auch geschieht, wir stellen uns dem gemeinsam.«
Sie war wie betäubt vor Angst, aber zugleich unendlich dankbar, dass er bei ihr war.
Mit zwei Fingern hob er ihr Kinn, damit sie ihn ansah. »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, flüsterte sie.
In der erdrückenden Stille klangen ihre Stimmen ungewöhnlich laut. Kein
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