Immortal: In den Armen der Dunkelheit
Haar schimmerte im Mondschein. Eigentlich sollte Leanna Angst haben, doch seltsamerweise fürchtete sie sich nicht.
Er kam ihr bekannt vor.
»Kennen wir uns?«, fragte sie.
Als er zynisch lächelte, blitzten weiße Zähne auf.
»Lässt dein Gedächtnis dich im Stich, Leanna? Dabei hast du versprochen, mich nie zu vergessen. Andererseits hast du so viele Männer gekannt, dass es gewiss schwierig ist, uns alle im Kopf zu behalten.«
Er trat einen Schritt vor, worauf ihr Elfenfeuer sein Gesicht erhellte.
Leanna starrte ihn an. Ihre eine Hand wanderte zu ihrem Hals und presste sich auf ihre Brust, um ihr Herzpochen zu beruhigen. Sie öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus.
»Sprachlos?«, fragte er spöttisch. »Wie erstaunlich! Soweit ich mich entsinne, warst du niemals um Worte verlegen.«
Sie schluckte, was schmerzhaft war. Als sie schließlich ihre Stimme wiedergefunden hatte, klang sie wie ein heiseres Flüstern.
»
Jackson?
Jackson Cabot?«
Er verneigte sich vornehm. Wie elegant! Ganz so, wie der Mann, an den sie sich erinnerte.
Aber Jackson war … tot.
»Du bist …« Sie räusperte sich. »Du bist kein Geist.«
»Nein«, bestätigte er.
Nun kam er noch näher, fast bis zum Fußende des Bettes. Elfenfeuer leuchtete ihm in sein wunderschönes Gesicht. Die vorstehenden Wangenknochen, die Patriziernase, die hohe Stirn – alles war unverändert. Nur dass in seinen braunen Augen ein zynisches Funkeln lag, das dem Mann, den sie einst geliebt hatte, gänzlich fremd gewesen war. Und sein Teint stimmte ebenfalls nicht. Der Jackson, den sie kannte, hatte jede freie Minute in der Sonne verbracht. Der Mann vor ihr … besaß nicht Jacksons sonnengebräunte, gesunde Farbe.
Blankes Entsetzen ließ ihr das Blut gefrieren. »Du bist … ein Vampir.«
Jackson stützte beide Hände auf die hohe Matratze und beugte sich zu ihr. »Und du, Leanna, bist immer noch eine bezaubernd schöne Frau.«
Sein Blick wanderte tiefer.
Unsicher zog Leanna die Decke höher.
»Schamhaft?«, fragte er ohne einen Hauch jenes neckischen Tonfalls, den sie mit ihren Erinnerungen an ihn verband. »Du überraschst mich. Was hat es zu bedeuten, dass du ohne Begleitung in dein Hotel zurückkommst? Das Letzte, was ich erwartet habe, war, dich allein in dieses Bett steigen zu sehen.« Er richtete sich wieder auf. »Was ist mit deiner jüngsten Eroberung geschehen?«
Sie starrte ihn immer noch an. Sein zynischer Ton machte sie frösteln, während sie nach wie vor mit der Tatsache rang, dass dies Jackson war,
ihr
Jackson. Hier, in ihrem Schlafzimmer. Wo er mit ihr sprach. Es war weder ein Traum noch ein Alptraum.
Mit etwas Verzögerung begriff sie, was er gesagt hatte. »Eroberung? Wovon redest du?«
»Manannán mac Lir, der Musiker. Ich sah dich im Fernsehen mit ihm.«
»Du hast Mac und mich im Fernsehen gesehen?«, lautete ihre wenig geistreiche Reaktion, denn leider versagte ihr Gehirn.
»Ja, das habe dich. Verrätst du mir, wo du ihn gevögelt hast? In seiner Limo? Oder in seinem Hotelzimmer? War er gut?«
»Was?!«, fragte sie entgeistert. »Du denkst, Mac und ich …«
»Manannáns Ruhm ist im letzten Jahr explodiert. Und nun finde ich heraus, dass er mit dir reist. Du bist eine Sexmuse. Erzähl mir nicht, dass deine Magie keine wesentliche Rolle …«
»Macs Erfolg hat nichts mit meiner Magie zu tun«, fiel sie ihm ins Wort. »Bei allen Göttern von Annwyn, Jackson, Mac ist mein
Bruder!
«
Er schnaubte verächtlich. »Ach ja? Ich entsinne mich nicht, dass du jemals einen göttlichen Bruder erwähntest.«
»Mac ist mein Halbbruder. Wir haben dieselbe Mutter. Ich habe dir nie von ihm erzählt, weil Mac und ich nicht miteinander sprachen, als du und ich … als wir …« Ihr fehlten die Worte. Überdies wurde ihre Kehle schmerzlich eng, und ihr stiegen Tränen in die Augen.
»Ein Liebespaar waren?«, half Jackson ihr sarkastisch aus.
Sie sah ihn an. »Ja, als wir ein Liebespaar waren.«
»Liebe«, wiederholte er abfällig. »Ich dachte, es wäre Liebe, Leanna, aber ich erkannte bald, wie tödlich deine besondere Version dieses Gefühls ist, nicht wahr?«
Er schritt im Zimmer auf und ab. »Ein begabter Autor könnte jahrelang von der Ironie unserer Affäre leben. Ich wollte dich nie um deiner Magie willen wie deine anderen Liebhaber. Schon nach zwei Tagen in Paris wurde mir klar, dass mein mageres Talent nichts war gemessen an der Kunst der großen Meister. Ich hatte mich damit abgefunden, Paris als
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