Immortal: In den Armen der Dunkelheit
verweigert hatte. Mit eiserner Willenskraft hob Jackson nach nur drei Schlucken seinen Kopf.
Die junge Frau stolperte benommen davon. Sofort lockte er sich das nächste Opfer heran. Blond. Britisch. Ihr Begleiter runzelte die Stirn, als sie sich entschuldigte und seinen Armen entwand.
Und auf diese Weise ging es den Abend weiter, mit Blut aus einem Dutzend pulsierender Adern an einem Dutzend schmaler Hälse. Leben, berauschendes Leben flutete Jacksons Körper. Und mit dem Leben kam die Lust, die seine Lenden wärmte und beschwerte. Mit lang trainierter Selbstbeherrschung unterdrückte Jackson seine körperlichen Bedürfnisse. Bei jedem Opfer verschloss er die Wunden wieder und löschte den Schmerz aus ihren Köpfen, auf dass nur noch ein vager Eindruck von Wonne blieb. Man könnte es eine Art Lohn nennen. Dennoch fühlte Jackson sich wie ein dreckiger Dieb.
»Vorresti andare alla mia camera?«
Wollen wir auf mein Zimmer gehen?
Sein letztes Opfer schürzte die runden Lippen.
Jacksons Herz, das gestohlenes Blut pumpte, pochte gegen seine Rippen. Diese Frau hatte rotes Haar.
Sein Magen krampfte sich zusammen, und flüssiges Feuer strömte in seine Erektion. Mehrere Sekunden verstrichen, ehe er seiner Stimme traute.
»Mi dispiace, bella, ma no.«
Schmollend kehrte sie ihm den Rücken zu. Jackson blickte auf ihr weich wippendes Haar, bis sie in der Menge verschwunden war. Gesättigt, angewidert und beinahe unerträglich erregt, floh er zum Fahrstuhl.
Solange hatte die Lichter in seiner Suite gelöscht. Drinnen sank Jackson auf die Ledercouch vor dem dunklen Fernseher, sprang aber gleich wieder auf und begann, im Zimmer hin und her zu gehen.
Gütiger Himmel! Rotes Haar. Und es war nicht künstlich gewesen.
Seine Erektion pulsierte, denn Bilder der namenlosen Rothaarigen – nackt auf weißem Satin ausgestreckt, die Arme über ihrem Kopf – vermengten sich mit dem einer anderen rothaarigen Sirene von vor langer Zeit.
Er schritt zur Bar, wo er sich anstelle des dekantierten Weines einen Whisky einschenkte. Unverdünnt kippte er ihn hinunter. Das Glas knackte in seiner Hand, während er sich bemühte, ruhig zu atmen. Er sang sein Mantra, die Silben, die ihm ein wenig Frieden bringen sollten. Könnte er doch bloß die Stille um sich herum packen und in sich einsaugen!
Der Drang, um Kraft und Vergebung zu beten, war überwältigend. Trotzdem gab Jackson ihm nicht nach. Ein alter Harvard-Trinkspruch besagte, die Bostoner Cabots würden ausschließlich zu Gott reden; Jackson jedoch hatte sich vor über hundert Jahren von dieser nutzlosen Konversation verabschiedet.
Nach und nach bändigte er seine Dämonen, seine Erinnerung sowie seine schmerzliche Lust und wurde mit einer Welle von Macht belohnt. Blendende, herrliche Magie flutete seine Adern, so strahlend wie die Sonne, die er nicht mehr ansehen konnte.
Einige Momente später atmete er ruhig und entspannt. Er setzte sich wieder auf die Couch, die langen Beine überkreuzt auf dem niedrigen Tisch. Gedankenverloren nahm er die Fernbedienung in die Hand und schaltete den Fernseher ein.
Er klickte sich durch mehrere Kanäle, ehe er bei einem Live-Bericht von dem Benefizkonzert im hell erleuchteten Kolosseum verharrte. Dort traten alle Wohltäter-Superstars von Rang und Namen auf: Bono, Sting, Springsteen, McCartney, Manannán. Eine vollbusige Reporterin stand nahe dem Bühneneingang und erzählte etwas in rasendem Italienisch, während hinter der Polizeiabsperrung um die fünfzig hysterische Frauen kreischten.
Jackson wollte schon weiterschalten, als eine schwarze Stretch-Limousine mit vierköpfiger
Polizia
-Eskorte auf Motorrädern vor dem antiken Steinportal hielt. Prompt ließ er die Fernbedienung sinken, sobald die Limousinentür aufschwang.
Heraus sprang Manannán mac Lir, der keltische Musiker und Halbgott, und begrüßte sein ergebenes Publikum mit einem breiten Grinsen. Hinter ihm stiegen noch mehrere andere Gestalten aus dem Wagen: zwei große Sidhe, zwei dunkelhaarige Menschenfrauen und ein großer, mürrisch aussehender Mann in einem Smoking. Jackson erkannte Letzteren. Das war der Unsterbliche Kalen, Held der Menschen und unanständig reicher Kunstmäzen.
Manannán drehte sich um und reichte dem letzten Fahrgast die Hand. Als Erstes sah Jackson ein Paar lange, phantastische Beine. Langsam folgten eine kurvige Hüfte, eine schmale Taille, ein voller Busen und ein klassisches, wunderschönes Profil.
Spitze Sidhe-Ohren lugten durch rotes
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