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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Trümmerhaufens – eine surreale Installation, wie nur der Krieg sie erschaffen kann. Fetzen des roten Teppichs, der in der Moschee gelegen hatte, flatterten gespenstisch an den kahlen Ästen benachbarter Bäume.
    Die Bomben hatten nicht nur die Mauern der Moschee zum Einsturz gebracht, sondern auch den Boden aufgerissen. In einem Spalt unter der rückwärtigen Wand war eine bis dahin verborgene Kammer ans Licht gekommen. Die biblischen Fresken an den Wänden, verblichen und vom Zahn der Zeit zerfressen, waren dennoch unverkennbar: Unter der Moschee verbarg sich eine präislamische Kirche. Der Bibel zufolge hatten Jesus und seine Jünger diese Küste ausgiebig bereist, und die ganze Gegend war durchzogen von Überbleibseln aus biblischer Zeit. Die Kirche des heiligen Thomas im nahen Tyrus stand auf den Überresten eines Bauwerks, das man für die älteste schriftlich erwähnte Kirche überhaupt hielt, erbaut im ersten Jahrhundert durch den heiligen Thomas nach seiner Rückkehr von Zypern. Aber im späten siebten Jahrhundert war der Islam über die Region hinweggefegt, und viele Anbetungsstätten waren von den Anhängern des neuen Glaubens übernommen worden.
    An einem schiitischen Heiligtum nach den Überresten eines anderen, älteren Glaubens zu stochern, war keine leichte Aufgabe, schon gar nicht jetzt, da der Krieg noch eine frische, klaffende Wunde war und die Wellen der Erregung schnell höher schlugen als sonst.
    Evelyn hatte vermutet, dass dies ein schwieriger Tag werden würde.
    Aber nicht so.
     
    Eine Woge der Enttäuschung durchströmte sie. Mit unverhüllter Trauer sah sie Faruk an. «Was machen Sie da, Faruk?», fragte sie leise. «Sie kennen mich doch besser.»
    Die Polaroids in ihrer Hand waren hastig aufgenommene Bilder von antiken Gegenständen, Schätzen eines versunkenen Zeitalters, Funden aus der Wiege der Zivilisation: Keilschrifttafeln, zylindrische Siegel, Statuetten aus Alabaster und Terrakotta, Tongefäße. Sie hatte viele solcher Bilder zu Gesicht bekommen, seit die amerikanischen Truppen 2003 in Bagdad einmarschiert waren und internationale Empörung ausgebrochen war, weil die Besatzer versäumt hatten, das Museum der Stadt und andere kulturell bedeutsame Stätten zu schützen. Es war zu hemmungslosen Plünderungen gekommen, man vermutete Insidergeschäfte und politische Tricksereien, und Schätzungen über die Zahl der gestohlenen Objekte waren mit atemloser Unzuverlässigkeit nach oben und unten geschossen. Unbestreitbar war jedoch, dass jahrtausendealte Schätze gestohlen worden waren. Manche waren wieder aufgetaucht, aber die meisten blieben verschwunden.
    «Bitte, Sitt Evelyn …», sagte Faruk flehentlich.
    «Nein», unterbrach sie ihn schroff und schob die Polaroids wieder in den Umschlag. «Hören Sie auf. Sie bringen mir diese Bilder – und dann? Erwarten Sie wirklich, dass ich etwas davon kaufe oder Ihnen helfe, es zu verkaufen?»
    «Bitte», wiederholte er leise. «Sie müssen mir helfen. Ich kann da nicht wieder hin. Hier …» Hektisch suchte er in den Fotos. «Sehen Sie sich das an.»
    Evelyn sah, dass seine nikotingelben Finger zitterten. Aus seinem Gesicht und seiner Gestik sprachen offensichtliche Angst, und das zu Recht. Wer Antiquitäten aus dem Irak schmuggelte, riskierte schwere Strafen – sogar die Todesstrafe, je nachdem, auf welcher Seite der Grenze er geschnappt wurde. Und doch ließ es ihr keine Ruhe. Zugegeben, sie kannte diesen Mann nicht besonders gut, sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen, aber sie hielt sich für eine ziemlich gute Menschenkennerin, und es schien nicht zu ihm zu passen, dass er an der Ausplünderung seines Landes teilnahm, eines Landes, das ihm nach ihrer Erinnerung sehr am Herzen lag … Andererseits hatte sie auch nicht mehrere blutige Umstürze und drei größere Kriege erleben müssen, von all dem Grauen dazwischen ganz zu schweigen. Sie zügelte ihren urteilenden Instinkt; sie musste zugeben, dass sie keine Ahnung hatte, was Faruk erlebt hatte, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte, und zu welchen verzweifelten Mitteln ein Mensch griff, wenn es ums Überleben ging.
    Er zog zwei Bilder aus dem Stapel und sah sie an. «Hier.»
    Sie musterte ihn und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann nickte sie und wandte ihre Aufmerksamkeit den Fotos zu, die er ihr reichte.
    Das erste Bild zeigte mehrere alte Kodizes, die flach auf einem Tisch lagen. Evelyn betrachtete es genau. Ohne in die Bücher hineinzuschauen, war es schwer, ihr Alter

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