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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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zu bestimmen. Die Region hatte eine so reiche Geschichte – über mehrere tausend Jahre erstreckte sich eine beständige Parade von Zivilisationen. Aber ein paar verräterische Details gaben doch einen Hinweis auf ihr Alter: Die Einbände waren aus rissigem Leder, manche goldgeprägt, andere mit gepunzten geometrischen Mustern, Mandorlen und Troddeln. Die Grate über den Bünden auf dem Rücken waren ebenfalls deutlich sichtbar. Das alles ließ vermuten, dass die Bücher vor dem vierzehnten Jahrhundert entstanden waren, was sie äußerst attraktiv für Museen und Sammler machte.
    Evelyn nahm sich das zweite Bild vor. Es überlief sie eiskalt, als sie es erkannte. Sie hielt das Foto näher und studierte es eingehend; ihre Finger strichen über die Oberfläche in dem vergeblichen Versuch, es klarer zu machen. Ihre Gedanken schwammen in einer Flut von Erinnerung, die das Bild in ihr auslöste. Es zeigte einen antiken Kodex, der unschuldig zwischen zwei anderen Büchern lag. Der geprägte Ledereinband war rissig und verstaubt. Die lederne Umschlagklappe des hinteren Deckels war ausgefaltet. Sie war ein charakteristisches Merkmal islamischer Bücher, und normalerweise wurde sie unter den vorderen Einbanddeckel geschoben, wenn das Buch zugeschlagen wurde; sie diente als Lesezeichen wie auch zum Schutz der Seiten.
    Auf den ersten Blick war nichts Bemerkenswertes an dem alten Buch – abgesehen von dem Symbol, das in den vorderen Deckel eingeprägt war: das kreisförmige Motiv einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz biss.
    Jäh hob sie den Kopf und sah Faruk scharf in die Augen. Sie konnte die Frage nicht schnell genug stellen. «Wo haben Sie die gefunden?»
    «Ich gar nicht. Abu Barsan, ein alter Freund von mir, hat sie gefunden. Er handelt ebenfalls mit Antiquitäten. Er hat einen kleinen Laden in Al-Mawsil.» Faruk benutzte den arabischen Namen der Stadt Mossul, zweihundert Meilen nordöstlich von Bagdad. «Nichts Illegales, wissen Sie. Nur das, was wir unter Saddam verkaufen durften.» Vor der Invasion war der Verkauf der kostbarsten Antiquitäten ein exklusives Privileg der Baath-Parteifunktionäre gewesen. Das Gesindel – also der Rest der Bevölkerung – durfte sich um die Brosamen prügeln. «Saddam hatte seine Spitzel überall, wie Sie wissen. Heute ist es natürlich anders. Jedenfalls kam mein Freund vor ungefähr einem Monat zu mir. Er reist durch den Norden, in die alten Dörfer, und sucht nach Stücken. Er ist halb Kurde, und wenn er dort ist, vergisst er einfach seine sunnitische Hälfte, und die Leute öffnen ihm ihre Häuser. Dort oben ist er auf diese Stücke gestoßen. Sie wissen ja, wie das ist. Ein Riesendurcheinander. Totales Chaos. Bomben, Morde, Todesschwadronen … Die Leute haben Angst; sie tun, was sie tun müssen, um nicht in Gefahr zu geraten und Brot auf den Tisch zu bringen. Sie verkaufen alles, was nicht niet- und nagelfest ist; jetzt können sie es ja ganz offen tun. Aber es gibt nicht viele Käufer, wenigstens nicht im Irak. Abu Barsan wollte diese Sammlung verkaufen. Er wollte das Land verlassen und irgendwohin, wo es sicher ist – das wollen wir ja alle –, aber dazu braucht man Geld. Also fragte er unauffällig herum und suchte einen Käufer. Er wusste, dass ich ein paar gute Auslandskontakte habe, und bot mir an, den Erlös mit mir zu teilen.»
    Faruk zündete sich eine neue Zigarette an und sah sich verstohlen um.
    «Jedenfalls dachte ich an Sie, als ich den Uroboros sah.» Er tippte auf das Foto des Buches. «Ich habe ein bisschen herumtelefoniert und mich erkundigt, ob jemand wusste, wo Sie sind. Machfus Zacharia –»
    «Natürlich», unterbrach Evelyn. Sie hatte mit dem Kurator des Nationalen Museums der Antike in Bagdad Verbindung gehalten, nach der Invasion, als der Plünderskandal losgebrochen war, noch verstärkt. «Faruk, Sie wissen, dass ich die nicht anrühren kann. Wir sollten nicht einmal dieses Gespräch führen.»
    «Sie müssen mir helfen, Sitt Evelyn. Ich kann nicht wieder zurück in den Irak. Dort ist es schlimmer, als Sie es sich vorstellen können. Sie wollen dieses Buch doch haben, oder? Ich besorge es Ihnen. Helfen Sie mir nur, hierzubleiben, bitte. Brauchen Sie keinen Fahrer? Oder einen Assistenten? Ich tue, was immer Sie wollen. Ich kann Ihnen nützlich sein, das wissen Sie. Bitte. Ich kann nicht wieder zurück.»
    Sie verzog schmerzlich berührt das Gesicht. «Faruk, so einfach ist das nicht.» Sie schüttelte still den Kopf und schaute zu den

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