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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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trostlosen Hügeln hinüber, die sich hinter der Moschee erstreckten. Neben einer kleinen Steinmauer lagen reihenweise braune Tabakblätter, die vor Monaten auf Drähte gezogen worden waren, um in der Sonne zu trocknen; sie waren verrottet und grau und von demselben dicken Staub bedeckt, der die ganze Gegend erstickte. Am Himmel erwachte das leise Brummen einer israelischen Drohne und erstarb wieder – eine Erinnerung an die ständige Spannung.
    Faruks Gesicht lief dunkel an. Er atmete flach und schnell, und seine Hände flatterten aufgeregt. «Sie erinnern sich an Hadsch Ali Sallum?»
    Noch ein Name aus der Vergangenheit. Auch ein Antiquitätenhändler, wenn Evelyn sich richtig erinnerte – was sie meistens tat. In Bagdad. Sein Laden lag drei Häuser von Faruks entfernt. Sie entsann sich, dass die beiden gute Freunde, aber auch entschlossene Konkurrenten gewesen waren, wenn es um Kunden und Geschäfte ging.
    «Er ist tot.» Faruks Stimme zitterte. «Und ich glaube, der Grund ist dieses Buch.»
    Evelyns Miene verdunkelte sich, und sie suchte nach Worten. «Was ist mit ihm passiert?»
    Die Angst in seinem Blick wurde noch deutlicher. «Wovon handelt dieses Buch, Sitt Evelyn? Und wer ist sonst noch dahinterher?»
    Verblüfft starrte sie ihn an. «Ich weiß es nicht.»
    «Was ist mit Mr.   Tom? Er hat mit Ihnen zusammengearbeitet. Vielleicht weiß er es. Sie müssen ihn fragen, Sitt Evelyn. Irgendetwas Schlimmes ist im Gange. Sie können mich nicht dorthin zurückschicken.»
    Der genannte Name versetzte Evelyn einen Stich ins Herz. Bevor sie aber antworten konnte, hallte Rames’ Stimme über die Schuttberge.
    «Evelyn?»
    Faruk warf ihr einen ängstlichen Blick zu. Sie reckte den Hals und sah, dass Rames von der Moschee herüberkam. Als sie sich wieder Faruk zuwandte, spähte dieser durch die Gassen zur Hauptstraße hinunter. Dann sah er sie an, und alles Blut war aus seinem Gesicht gewichen. In seinem Blick lag ein so abgrundtiefes Entsetzen, dass es ihr das Herz zusammenzog. Er drückte ihr den kleinen Stapel Fotos und den Umschlag in die Hand und sagte: «Um neun Uhr in der Stadt, beim Uhrturm. Bitte kommen Sie.»
    Rames hatte sie erreicht. Offensichtlich fragte er sich, was los war.
    Evelyn wusste nicht genau, was sie sagen sollte. «Faruk ist ein alter Kollege von mir, aus den alten Zeiten im Irak.» Rames schien das Unbehagen zwischen ihnen deutlich zu spüren. Sie fühlte, wie Faruk sich anspannte, und legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. «Alles okay. Rames und ich arbeiten zusammen. An der Universität.»
    Sie tat ihr Bestes, um Faruk zu signalisieren, dass von ihrem Kollegen keine Gefahr ausging, aber irgendetwas hatte ihm einen sichtbaren Schrecken eingejagt; er nickte Rames nur knapp zu und sagte dann eindringlich: «Bitte seien Sie da.» Bevor sie etwas erwidern konnte, stieg er schon hastig den Pfad hinauf, weg von der Stadt und auf die Moschee zu.
    «Warten Sie, Faruk!» Evelyn trat zur Seite, aber ihr Rufen verhallte ungehört. Er war bereits verschwunden.
    Sie drehte sich zu Rames um. Er war perplex. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie noch immer die Polaroids in der Hand hielt und dass er sie gesehen hatte. Fragend schaute er sie an. Sie schob die Bilder in den Umschlag, steckte ihn hastig ein und rang sich ein entwaffnendes Lächeln ab.
    «Entschuldigen Sie. Er ist nur … Aber das ist eine lange Geschichte. Wollen wir zur Kammer zurückkehren?»
    Rames nickte höflich und ging vor ihr her den Weg hinauf.
    Sie folgte ihm mit abwesendem Blick. Faruks beunruhigende Worte lagen ihr schwer im Magen, und im Aufruhr ihrer Gedanken entging ihr eine flüchtige Szene im nahen Dorf: zwei Männer, die am Straßenrand standen. Sie schienen mit dem Treiben drum herum nichts zu tun zu haben, sondern schauten zu ihr herauf. Dann stieg einer der beiden in einen Wagen, der schnell davonfuhr, der andere blickte ihr für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen, bevor er hinter einem eingestürzten Haus verschwand.

2
    «Habt ihr ihn schon?»
    Er hatte Bagdad vor mehr als vier Jahren verlassen, aber seiner natürlichen Sprachbegabung und all seinen Bemühungen zum Trotz war in seinem arabischen Vokabular und Akzent noch immer der Einfluss seiner Jahre im Irak hörbar. Die Männer, die für ihn arbeiteten – geführt von Omar, dem Mann, der eben angerufen hatte –, kamen deshalb alle aus dem Osten seines neuen Heimatlandes, aus der Region dicht vor der irakischen Grenze, wo sie Waffen und Soldaten in

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