Immortals after Dark 09 - Sehnsucht der Dunkelheit
dennoch, wie er ihr je wieder vertrauen konnte. Auch wenn er verstand, warum sie es getan hatte, blieb doch die Tatsache bestehen, dass sie ihn in eine Situation gelockt hatte, die seinen sicheren Tod hätte bedeuten können. Bei dem Gedanken wuchs seine Bitterkeit erneut an.
Ein Wassertropfen platschte ihm ins Gesicht. Diese völlig fremde Welt, in die sie ihn gebracht hatte, bestand fast ausschließlich aus Grün und Wasser. Die Erzählungen, die er gehört hatte, entsprachen also der Wahrheit. Doch selbst im Angesicht all dieser neuen Wunder konnte Malkom nur selten den Blick von der Hexe abwenden.
Sie wirkte erschöpft, bemühte sich aber zu lächeln und plauderte mit dem Mädchen. »Meinst du, deine Freundinnen werden dir glauben, dass du Haie gesehen hast?«
Haie. Diese mächtigen Geschöpfe im Wasser. Er hatte Carrow gefragt, ob es an Land Kreaturen gab, die ebenso mächtig waren, und sie hatte ihm gesagt, dass eigentlich nur Mythianer eine ähnliche Gefahr darstellen konnten. Als sie hinzugefügt hatte, dass er in jedem Fall stärker war als sie alle, hatte er nur zustimmend genickt.
Er konnte die beiden Hexen vor all diesen Wesen beschützen – es sei denn, sie würden sich gegen ihn verbünden.
»Warum kann er denn nicht schwimmen?«, flüsterte das Mädchen Carrow ins Ohr. »Jeder kann doch schwimmen.«
Carrow geriet ins Stolpern. Sie wusste, dass er ein Flüstern aus einem Kilometer Entfernung hören konnte, erst recht aus einem Meter. »Ähm, er kommt aus einem Land, in dem es nur sehr wenig Wasser gibt. Darum muss man es dort auch nicht lernen.«
Das Mädchen gähnte, das Thema war schon wieder uninteressant. »Gehen wir jetzt nach Hause?«
»Wir versuchen alles, um bald nach Hause zu kommen. Das versprech ich dir.«
Nach Hause. Zurück zum Vater des Kindes? Erst da kam ihm in den Sinn, dass Carrow einen Mann haben musste, den Vater des Kindes. Es war eine Sache zu wissen, dass sie irgendwann mit einem anderen Mann zusammen gewesen war, aber nun war der Gedanke präsent, dass ein anderer seine Saat in sie gepflanzt hatte.
Eifersucht kochte in Malkom hoch, und seine Klauen bohrten sich so tief in seine Handflächen, dass Blut floss. Er wollte das Kind dieses anderen Mannes hassen, aber er brachte es nicht fertig. Das Kind erinnerte ihn viel zu sehr an Carrow, als sie klein gewesen war.
Habe ich sie nur dazu gerettet, um sie anschließend einem anderen Mann zu übergeben? Einem Mann, der sie nicht einmal vor diesem Orden beschützt hatte? Dieser Mann hatte Carrow dieses Baby geschenkt, das sie offensichtlich vergötterte?
Der Mann würde sie zurückhaben wollen.
Malkoms Fänge schärften sich. Der Mann würde sterben.
Nachdem die Taubheit in ihren vom Wasser eiskalten Händen nachgelassen hatte, plagten Carrows zerschlagenen Körper und ihre verletzten Fingerspitzen entsetzliche Schmerzen. Ihre mit Wasser vollgesaugten Stiefel hingen schwer an ihren Füßen, und ihre Beine fühlten sich wie Wackelpudding an. Trotzdem trug sie Ruby selbst, während sie sich bemühte, mit Malkom Schritt zu halten.
Das Mädchen war an ihrer Schulter eingenickt. Ab und zu schreckte es hoch, um gleich darauf wieder wegzudämmern.
In der Ferne tobten immer noch die Kämpfe, mit Explosionen aus Licht und Lärm, und der Boden unter ihren Füßen bebte nach wie vor. Ab und zu rannten oder galoppierten Gruppen irgendwelcher Kreaturen viel zu nahe an ihnen vorbei, vermutlich um in der Umgebung zu plündern.
Sie waren noch keinem einzigen Verbündeten der Hexen begegnet.
Die Luft war kalt und neblig. Die Atmosphäre zwischen Carrow und Malkom war nach wie vor angespannt und kühl. Was denkt er nur?
Seine Schultermuskeln zeichneten sich deutlich unter seinem schwarzen T-Shirt ab. Vorhin schon war ihr aufgefallen, dass er neue Kleidung trug und seine Hörner beinahe vollständig wieder nachgewachsen waren. Mittlerweile waren auch seine Verletzungen fast verheilt.
Dieser wunderschöne, heroische Mann.
Er hatte sie an ihr Versprechen erinnert, mit ihm Sex zu haben. Ob er es wohl noch heute Nacht erwartete?
Carrow wusste, dass der Dämon und sie nicht einfach da weitermachen konnten, wo sie in seiner Höhle in Oblivion aufgehört hatten. Aber sie hoffte, dass sein Ärger nachlassen würde, wenn er erst einmal verstand, warum sie ihn verraten hatte. Zurzeit schien er seine Wut tief in seinem Inneren begraben zu haben, doch sie spürte, dass es unter der ruhig erscheinenden Oberfläche kochte.
Endlich schlief Ruby
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