Immortals after Dark 09 - Sehnsucht der Dunkelheit
loszuheulen.
»Versprich mir, dass du zurückkommst«, flüsterte Ruby.
Ihre Worte klangen undeutlich, beinahe babyhaft. Carrow wusste null Komma gar nichts über Kinderziehung, aber dieser Rückschritt konnte in Anbetracht der Umstände nichts Gutes bedeuten.
Behutsam schob Carrow Ruby von sich, um ihr in die Augen sehen zu können. »Ich schwöre beim Mythos, dass ich zurückkommen und dich holen werde. Du glaubst mir doch, oder?«
Ein leichtes Nicken.
Fegley, Dr. Dixon und ein ganze Armada an Wachen erreichten die Zelle und öffneten die Glastür. Als die Frau nach Ruby griff, zog Carrow sie noch näher an sich heran.
»Wenn ihr auch nur das Geringste zustößt, Dixon, werde ich dich dafür zur Verantwortung ziehen.« Sie warf der Frau einen warnenden Blick zu, wohl wissend, dass ihre Augen dabei flackern würden. Carrows Augen wechselten nicht die Farbe, wenn sie tiefe Emotionen verspürte, sondern sie leuchteten heller und dunkler – sie glitzerten wie Sterne. In diesem Augenblick funkelten sie sicher wie die ganze Milchstraße, was die Sterbliche ziemlich nervös machen dürfte.
Dixon starrte sie nur an. »Genau, wie wir besprochen haben … «, erwiderte sie geistesabwesend.
Zehn Minuten später saß Carrow in einem von fünf militärischen Geländewagen, aus denen Fegleys Konvoi bestand. Während sich der Wagen über eine unebene Straße von dem Komplex entfernte, starrte Carrow durch die regennassen Fensterscheiben. Sie war nach wie vor zutiefst aufgewühlt und hörte immer nur Ruby, die nach ihr schrie. Wie kann ich sie nur jetzt schon dermaßen vermissen, als ob ich mein Herz bei ihr zurückgelassen hätte?
Doch dann gab sich Carrow innerlich einen Ruck und zwang sich, ihre Umgebung zu studieren.
Die Straße wand sich durch einen nassen Wald, der zum größten Teil aus Fichten bestand. Grüne Flechten und Moos überwucherten umgestürzte Bäume und alles andere Unbewegliche, sodass alles seltsam unscharf wirkte. Die Gegend sah aus, als ob sie sich im Nordwesten der USA befinden könnte.
Oder in Tasmanien.
Das engt die Sache ja schon mal grandios ein, Carrow.
Die Landschaft lag definitiv in Küstennähe. Gerüchten zufolge lockte der Orden regelmäßig große weiße Haie in das umliegende Meer, indem sie Futter auswarfen, um sicherzustellten, dass kein Unsterblicher durch das Wasser entkommen konnte.
Während ihre Augen geografische Details aufnahmen, bereitete sie sich mental auf ihre Mission vor, und überdachte noch einmal alles, was sie aus dem Dossier erfahren hatte.
Dieser Malkom Slaine machte sie richtig neugierig. Was war passiert, als er in einen Scârb ˘a verwandelt worden war? War er zu einem wandelnden Toten geworden, oder hatte sich seine dämonische Natur als dominant erwiesen? War er in all diesen Jahren allein gewesen?
Ob der Orden wohl davon ausging, dass sie Sex mit ihm haben würde, um ihn in die Falle zu locken?
Carrow konnte sich schon gar nicht mehr an das letzte Mal mit einem Liebhaber erinnern. Sie hätte mehr haben können, aber sie hatte gelernt, dass Sex nicht notwendigerweise alle Männer glücklich machte. Sie fühlten sich danach gut, entspannt, aber nicht unbedingt fröhlich. Es gab wütenden Sex, unsicheren Sex, Angebersex, aber die meisten sahen in der wilden, ungebärdigen Carrow nicht mehr als eine Eroberung.
Wenn sie wusste, dass nicht alle ihre Bedürfnisse befriedigt werden würden, verzichtete sie lieber.
Doch jetzt konnte sie sich den Luxus, wählerisch zu sein, vielleicht nicht mehr leisten …
Nach einiger Zeit parkte der gesamte Konvoi auf einer großen Lichtung, die von fünf gleich großen Felsbrocken eingerahmt wurde. Schon während sie aus dem Wagen ausstieg, spürte Carrow die dort herrschende Macht. Ein heiliger Ort.
Dann starrte sie finster in den flutartigen Regen, der ihre Lederstiefel und ihren Rock durchnässte und Carrow ins Gedächtnis zurückrief, wie sehr sie die Wildnis verabscheute. Für sie war »wunderbare Natur« genauso ein Oxymoron wie »wahrer Mythos«.
Letzte Nacht hatte Dixon vorgeschlagen, Kampfstiefel anstelle von Carrows eigenen zweitausend Dollar teuren, bis über die Knie reichenden Lederstiefeln anzuziehen.
»Soll ich als Zauberin oder als Kriegerin dort auftauchen?«, hatte Carrow gereizt gefragt. »Such dir eine Kaste aus, Sterbliche, ganz egal welche. Ich persönlich denke ja, dass ich als Zauberin die besten Chancen habe. Und da gehören Fick-mich-Stiefel nun mal zum Standard.«
Carrow blickte auf den
Weitere Kostenlose Bücher