I#mNotAWitch 1
gestern Nacht noch Ärger bekommen?“ Die aufrichtige Sorge in seiner Stimme ließ mich schuldbewusst den Kopf einziehen.
„Nein“, log ich und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Hoffentlich merkte er nicht, wie aufgeregt und angsterfüllt ich trotz allem war. Natürlich wünschte ich mir, von den Freunden meiner Mutter wegzukommen, doch das bedeutete nicht, dass ich mich vor Jacks Vampirfreunden nicht fürchtete. Aiden hatte ich ja bereits kennengelernt und er machte nicht einen halb so freundlichen Eindruck wie Jack. Im Gegenteil, er hatte mehrmals betont, dass er mein Blut ausprobieren wollte. Und dann lief ich ihm auch noch in die Arme.
„Möchtest du mich wirklich begleiten?“ Auch er klang nervös, stellte ich leicht belustigt fest.
Ich nickte langsam.
Ein erfreutes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. Für einen kurzen Moment betrachtete er mich mit leuchtenden Augen, dann kam er auf mich zu und berührte vorsichtig meine Schultern.
Instinktiv wollte ich zurückweichen, doch ich zwang mich zur Ruhe. Ich musste ihm vertrauen, damit er mir vertraute.
„Es ist ein langer Weg zu mir nach Hause“, warnte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Das schaff ich schon“, lächelte ich schwach.
Er schaute mich weiterhin an, dann nickte er und hob mich auf seine Arme.
Überrascht wollte ich mich zurück auf den Boden begeben, als er mich noch fester an seine Brust drückte, meinen Rucksack über seine Schulter warf, und mit einem zügigen Sprung aus meinem Fenster in die Schwärze der Nacht entglitt.
Wir landeten sicher auf dem Bürgersteig vor unserem Reihenhaus. Draußen roch es stark nach Autoabgasen und Schnee.
„Hey!“ Ich klopfte gegen seine Schulter, woraufhin er mich schmunzelnd ansah.
„Was ist denn los?“, fragte er lachend.
„Lass mich runter!“, bat ich.
„Wie sollen wir dann hinüber in den Wood-Tikchik State Park gelangen?“ Er überlegte kurz. „Oder könntest du deine Kräfte dafür benutzen?“
„Oh.“ Jetzt verstand ich. „Nein“, sagte ich gedehnt. „Dann gehen wir lieber auf deine Weise.“
Jack lachte und ging los. Erst da begriff ich auch, dass „gehen“ wohl das falsche Wort gewesen war. Wir flogen geradezu über die Stadt.
Jack rannte auf atemberaubend schnelle Weise durch die Straßen, sprang über geparkte Autos, hüpfte auf Dächer und Äste, wobei sich irgendwann alles vor meinen Augen zu einem Meer aus dunklen Farben und blinkenden Lichtern vermischte.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass es unbequem sein würde, dass ich hin und her schaukeln und mir schlecht werden würde. Doch es war nichts dergleichen.
Mit fünf Jahren war ich das erste und letzte Mal auf einer Kirmes gewesen. Mit Phoebe, Bailey, Tyler und Mr Brandon. Dort hatte ich eine Achterbahn besucht und war auf das Riesenrad gestiegen. Meine Mutter hatte nichts davon gewusst und war danach regelrecht ausgeflippt. Sie hatte die Brandons sogar beschimpft, dass sie nichts von anständiger Erziehung verstünden.
Diese Erfahrung fühlte sich wieder so an, als wäre ich auf der Achterbahn. Berauschend. Lebendig. Ich konnte meinen tobenden Herzschlag hören, während ich über die Dächer blickte. Ebenfalls konnte ich Jacks unwiderstehlichen Duft einatmen. Diesmal roch er nicht nach Rauch, sondern er hatte sich offenbar mit Aftershave eingesprüht. Hatte er das nur für mich getan?
Irgendwann begann ich vor Entzücken zu lachen und glaubte sogar, das kindliche Lachen meiner Schwester, als sie damals neben mir auf der Achterbahn saß, wieder wahrzunehmen.
Wir waren nie wieder so ausgelassen gewesen.
Bis jetzt.
Nach einer halben Stunde hielt Jack am Ufer eines Sees an, in dem das Wasser leise plätscherte, und die Finsternis die naheliegenden Bäume wie Schatten hervorhob. Im Himmel konnte ich den Mond sehen, der sich im letzten Viertel seiner Phase befand. Der abnehmende Halbmond spiegelte sich im dunklen, klaren Wasser und tauchte die Umgebung in silbernes Licht.
Es war unglaublich schön.
Ich spürte, wie sich eine angenehme Kühle auf meine Haut legte, und lächelte Jack zu, der mich vorsichtig auf die Wiese stellte.
Erst da befiel mich ein kurzer Schwindel und ich schwankte, woraufhin Jack sofort an meine Seite eilte und mich festhielt.
„Danke“, flüsterte ich atemlos.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er. „Ich dachte, du brauchst vielleicht eine Pause.“
„Nein, es ist alles wundervoll“, beruhigte ich ihn. „Ich habe noch nie so etwas Zauberhaftes erlebt.
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