Imperator 01 - Die Tore von Rom
Jungen ohne Überwachung leicht hätten ertrinken können. Julius verzog das Gesicht. Er wusste, wenn er diese Bedenken Renius vortrug, kam das einer Auflösung ihres Abkommens gleich. Den alten Menschenschinder davon abzuhalten, zu weit zu gehen, musste er wohl oder übel seinem Gutsverwalter überlassen.
Seufzend setzte er sich hin und grübelte über die Probleme, die ihn in Rom beschäftigten. Cornelius Sullas Macht war weiter gewachsen, nachdem er einige Städte im Süden der Kontrolle ihrer Kaufleute entrissen und dem Schutze Roms unterstellt hatte. Wie hieß die letzte noch einmal? Pompeji, irgendeine Stadt in den Bergen. Mit solchen kleinen Triumphen sorgte Sulla dafür, dass sein Name der geistlosen Öffentlichkeit in Erinnerung blieb. Durch ein Netz aus Lügen, Bestechung und Gefälligkeiten hatte er eine ganze Gruppe Senatoren in der Hand. Sie waren alle noch jung, und der Gedanke an manche von ihnen ließ den alten Soldaten Julius erschauern. Sollte Rom tatsächlich zu seinen Lebzeiten auf diese Weise enden?
Statt die Angelegenheiten des Imperiums ernst zu nehmen, lebten sie nur für ihre schmutzigen, zweifelhaften Vergnügungen. Sie beteten im Tempel der Aphrodite und nannten sich »Neue Römer«. Es gab nicht mehr viel, womit man in den Tempeln des Kapitols noch Aufruhr verursachten konnte, aber diese neue Gruppe schien es als ihre Aufgabe zu betrachten, die Grenzen dafür aufzuspüren und sie eine nach der anderen zu überschreiten. Einer der Volkstribunen, der Sulla bei jeder sich bietenden Gelegenheit widersprochen hatte, war ermordet aufgefunden worden. Die Tatsache an sich war nicht einmal so bemerkenswert. Er lag in einem Wasserbecken, das von einer geschickt geöffneten Ader in seinem Bein blutrot gefärbt war, eine an sich nicht ungewöhnliche Todesart. Das Problem dabei war, dass man auch seine Kinder tot aufgefunden hatte, was wie eine Warnung für die anderen wirkte. Es gab weder Indizien noch Zeugen, und es war sehr unwahrscheinlich, dass man die Mörder jemals finden würde. Doch bevor ein anderer Tribun gewählt werden konnte, hatte Sulla eine Resolution durchgebracht, die den Generälen im Feld größere Entscheidungsfreiheit gewährte. Die Notwendigkeit dafür hatte er selbst mit überzeugender Leidenschaft und Eloquenz dargelegt. Der Senat hatte abgestimmt, und wieder war Sullas Einfluss ein Stückchen gewachsen, während die Macht der Republik langsam aber stetig schwand.
Julius hatte es zwar bis jetzt geschafft, neutral zu bleiben, aber durch seine Ehe war er mit einem der an dem Machtspiel Beteiligten verwandt; Marius, der Bruder seiner Frau, und so würde er früher oder später Stellung beziehen müssen. Als kluger Mann sah er die Veränderungen kommen, doch es machte ihn traurig, dass die Gleichheit in der Republik von immer mehr Hitzköpfen im Senat als Fesseln empfunden wurde. Auch Marius vertrat die Ansicht, dass ein mächtiger Mann das Gesetz eher für sich selbst nutzen sollte, als ihm nur zu gehorchen. Diese Haltung hatte er bereits unter Beweis gestellt, als er das System zur Wahl der Konsuln zur Farce gemacht hatte. Das römische Gesetz schrieb vor, dass ein Konsul vom Senat nur einmal gewählt werden durfte und dann von seiner Position zurücktreten musste. Durch Siege gegen die Stämme der Kimbern und Teutonen, die er mit der Primigenia Legion vernichtend geschlagen hatte, hatte Marius vor kurzem seine dritte Wiederwahl gesichert. Noch immer war er ein Löwe des aufsteigenden Roms, und Julius würde in seinem Schatten Schutz suchen müssen, falls Cornelius Sulla noch mächtiger wurde.
Er würde Gefälligkeiten erweisen müssen und einen Teil seiner Eigenständigkeit verlieren, wenn er sich dem Lager des Marius anschloss, doch es war vielleicht die einzig vernünftige Entscheidung. Er wünschte, er könnte seine Frau um Rat fragen, ihr so wie früher zuhören, wenn ihr wacher Geist einem Problem auf den Grund ging. Stets hatte sie eine bestimmte Fassette einer Frage erkannt, einen besonderen Blickwinkel, den sonst niemand wahrnahm. Er vermisste ihr feinsinniges Lächeln und die Art, wie sie ihm, wenn er müde war, immer die Handflächen auf die Augen legte, und ihm eine wunderbare, friedvolle Kühle schenkte …
Leise ging er über den Gang zu Aurelias Gemächern, blieb vor ihrer Tür stehen und lauschte ihren tiefen, gleichmäßigen Atemzügen, die in der Stille kaum zu hören waren.
Vorsichtig betrat er den Raum und näherte sich der schlafenden Gestalt. Er
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