Imperator 01 - Die Tore von Rom
stand schwer und aufgedunsen unter der Wasseroberfläche. Er war zu einer Art dünnhäutigem, am Flussgrund lebendem Fisch geworden. Marcus konzentrierte sich, und sein Unterkiefer hing schlaff herunter; kaltes Wasser, Wasser, so kalt wie er selbst, rann davon herab. Er schwankte nach vorn und hob den Arm, um sich an einer Wurzel festzuhalten. Zum ersten Mal seit elf Stunden befand sich zumindest ein Teil seines Körpers endlich außerhalb des Wassers. Er fühlte eine Todeskälte in sich und empfand keinerlei Bedauern. Sicher, Gaius stand immer noch da, doch wahrscheinlich hatten sie einfach unterschiedliche Stärken. Marcus jedenfalls würde nicht sterben, nur um einem widerlichen alten Gladiator zu imponieren.
Zentimeter für Zentimeter kroch er aus dem Wasser. Mit Schlamm im Gesicht und auf der Brust zog er sich Stück für Stück ans Ufer. Sein aufgeblähter Bauch schien in die Höhe zu treiben, als würde er von innen aufgeblasen. Als endlich sein ganzes Körpergewicht auf der festen Erde wieder zum Tragen kam, überkam ihn eine ekstatische Erleichterung. Er lag einfach nur da und wurde von krampfartigen Würgeanfällen geschüttelt. Gelbe Gallenflüssigkeit tropfte ihm aus dem Mundwinkel und vermischte sich mit dem schwarzen Schlamm. Die Nacht war still, und es kam ihm vor, als sei er soeben aus seinem eigenen Grab gekrochen.
Im Morgengrauen lag er immer noch da. Ein Schatten verdeckte die bleiche Sonne über ihm. Renius stand vor ihm und runzelte die Stirn, nicht über Marcus, sondern über die kleine, blasse Gestalt des Jungen, der immer noch mit geschlossenen Augen und blauen Lippen im Wasser stand. Während Marcus ihn betrachtete, zuckte ein kurzer Anflug von Sorge über das eiserne Gesicht.
»Junge!«, bellte die Stimme, die sie bereits zu hassen gelernt hatten. »Gaius!«
Die Gestalt im Wasser schwankte leicht in der Strömung, doch es kam keine Antwort. Renius’ Kiefermuskeln traten hervor. Der alte Soldat watete bis zu den Oberschenkeln in das Flussbecken, fasste hinein und warf sich den Zehnjährigen wie einen Welpen über die Schulter. Gaius riss zwar kurz die Augen auf, doch er schien nicht zu begreifen, was mit ihm geschah. Marcus rappelte sich auf, als der alte Mann mit seiner Last davonging. Offensichtlich marschierte er zurück zum Haus. Mit protestierenden Muskeln trottete Marcus hinterher.
Hinter ihnen, im Schatten auf der anderen Uferseite, stand Tubruk, so wie er es schon die ganze Nacht getan hatte, durch das dichte Laub vor ihren Blicken geschützt. Seine Augen waren zu Schlitzen zusammengekniffen und so kalt wie der Fluss.
Renius schien von einer niemals versiegenden Wut angetrieben zu werden. In all den Monaten ihrer Ausbildung hatten die Jungen ihn nicht ein einziges Mal lächeln sehen, es sei denn aus Spott. An schlechten Tagen rieb er sich den Nacken, während er sie anbrüllte und erweckte den Eindruck, dass er jeden Augenblick die Geduld verlieren würde. Noch schlimmer war er in der Mittagssonne, wenn sein Gesicht schon beim kleinsten Fehler vor Wut fleckig wurde.
»Haltet den Stein gerade vor euch!«, bellte er, während Marcus und Gaius in der Sonne schwitzten. Ihre Aufgabe an diesem Nachmittag bestand darin, mit einem faustgroßen Stein in der ausgestreckten Hand ruhig dazustehen. Am Anfang war es leicht gewesen. Jetzt hingegen schmerzten Gaius’ Schultern, seine Arme fühlten sich an, als gehörten sie nicht mehr zu seinem Körper. Er versuchte, die Muskeln anzuspannen, doch sie gehorchten seinem Willen nicht mehr. Schweißüberströmt sah er, wie sich der Stein eine Handbreit senkte. Er spürte eine Welle aus Schmerz über seinen Bauch wandern, als Renius mit einer kurzen Peitsche zuschlug. Seine Arme zitterten, und die Muskeln bebten vor Schmerz. Er konzentrierte sich wieder auf den Stein und biss sich auf die Lippen.
»Ihr lasst ihn nicht fallen. Ihr nehmt den Schmerz an. Ihr lasst ihn nicht fallen.«
Renius’ Stimme verfiel in einen rauen Singsang, während er um die Jungen herumschritt.
Sie hatten die Steine jetzt zum vierten Mal angehoben, und jedes Mal wurde es schwerer. Renius ließ ihnen kaum eine Minute Zeit, um die schmerzenden Arme auszuruhen, bevor er schon wieder den Befehl gab, die Steine anzuheben.
»Ablegen«, befahl Renius und beobachtete mit bereit gehaltener Peitsche, ob sie die Steine auch langsam und kontrolliert absenkten. Marcus atmete heftig, und Renius verzog verächtlich den Mund.
»Es wird eine Zeit kommen, wo ihr glaubt, ihr könnt den
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