Imperator 01 - Die Tore von Rom
haltet sie, bis ich euch befehle, damit aufzuhören.«
Die Jungen, die es nicht wagten, auch nur einen Blick zu wechseln, hoben die Steine ein weiteres Mal an.
An diesem Abend, als Stille in das Gut eingekehrt und Renius in die Stadt zurückgeritten war, verschob Gaius seinen üblichen Erschöpfungsschlaf, um die Sklavenquartiere aufzusuchen. Er strich mit schlechtem Gewissen dort herum und hielt immer wieder nach Tubruks Schatten Ausschau, obwohl er eigentlich gar nicht so genau wusste, warum.
Die Haussklaven schliefen unter dem selben Dach wie die Familie, jedoch in einem eigenen Flügel mit einfachen Kammern. Diese Welt hier war ihm unbekannt. Nervös schlich er durch die dunkelnden Korridore. Er überlegte, ob er einfach an die Türen klopfen und ihren Namen rufen sollte.
Er fand sie auf der niederen Schwelle einer offenen Tür sitzend. Da sie völlig in Gedanken versunken schien, räusperte er sich leise, als er sie erkannte. Erschrocken rappelte sie sich auf, blieb dann regungslos stehen und starrte vor sich auf den Boden. Sie hatte den Staub des Tages von der Haut gewaschen, und ihr Gesicht leuchtete zart und blass im Abendlicht. Ihre Haare waren mit einem Stoffstreifen zurückgebunden, und in der Dunkelheit waren ihre Augen riesengroß.
»Heißt du Alexandria?«, fragte er leise.
Sie nickte.
»Ich komme, um dir zu sagen, dass es mir Leid tut wegen heute Mittag. Ich habe dich bei deiner Arbeit beobachtet, und Renius dachte, du lenkst uns ab.«
Sie stand vor ihm und rührte sich nicht, den Blick auf den Boden vor seinen Füssen gerichtet. Eine Weile blieb es still zwischen ihnen, und Gaius errötete, weil er nicht wusste, wie er fortfahren sollte.
»Es tut mir Leid, hörst du? Renius war sehr grausam zu dir.«
Sie sagte noch immer nichts. Ihre Gedanken überschlugen sich, doch er war schließlich der Sohn des Hauses. Am liebsten hätte sie gesagt: Ich bin eine Sklavin. Für mich bedeutet jeder Tag Schmerz und Erniedrigung. Es gibt nichts, was du mir sagen könntest.
Gaius blieb noch einen Moment wartend stehen, dann ging er und wünschte, er wäre nie hierher gekommen.
Alexandria sah ihm nach. Sie sah den selbstsicheren Gang und die aufkeimende Stärke, die Renius in ihm hervorbrachte. Wenn er erst älter war, würde er genau so gemein werden wie dieser alte Gladiator. Er war frei und ein Römer, sein Mitleid rührte nur von seiner Jugend her, und die wurde ihm mit der militärischen Ausbildung rasch ausgetrieben. Der Zorn, den sie nicht zu zeigen gewagt hatte, ließ ihr Gesicht brennen. Ihm nicht geantwortet zu haben, war zwar nur ein kleiner Sieg, doch sie genoss ihn.
Am Ende jedes Vierteljahres erstattete Renius Julius Bericht über ihre Fortschritte. Am Abend vor dem vereinbarten Termin kam Gaius’ Vater immer von seinem Quartier in der Hauptstadt nach Hause und hörte sich zunächst an, was Tubruk über das Wohlergehen des Gutes zu sagen hatte. Dann ließ er die beiden Jungen zu sich kommen und verbrachte noch ein paar zusätzliche Minuten allein mit seinem Sohn. Am folgenden Tag, bei Morgengrauen, sprach er dann mit Renius. Gaius und Marcus, dankbar für diese Unterbrechung des gewohnten Tagesablaufs, durften etwas länger schlafen.
Der erste Bericht war enttäuschend kurz ausgefallen.
»Sie haben einen Anfang gemacht. Beide haben etwas vom richtigen Geist in sich«, hatte Renius lapidar gesagt.
Nach einer langen Pause wurde Julius klar, dass kein weiterer Kommentar folgen würde.
»Gehorchen sie denn?«, fragte er, verwundert über die mangelnden Informationen. Dafür zahlte er so viel Geld?
»Natürlich«, erwiderte Renius mit verblüfftem Gesicht.
»Sind sie … äh … Machen sie sich denn vielversprechend?«, bohrte Julius weiter. Er wollte vermeiden, dass diese Unterredung die gleiche Wendung nahm wie die letzte, aber er hatte schon wieder das Gefühl, als redete er mit einem seiner alten Lehrer und nicht mit einem Mann, der in seinen Diensten stand.
»Ein Anfang ist gemacht. Eine solche Aufgabe lässt sich nicht über Nacht vollbringen.«
»So ist es immer bei Dingen von Wert«, erwiderte Julius leise.
Einen Moment sahen sie einander gelassen an, dann nickten beide, und damit war die Unterredung beendet. Der alte Krieger verabschiedete sich mit einem knappen, festen Händedruck und ging hinaus. Julius blieb stehen und starrte auf die Tür, die sich hinter Renius schloss.
Tubruk hielt seine Trainingsmethoden für gefährlich und hatte von einem Vorfall erzählt, bei dem die
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