Imperium
ihm, daß Herr Farkas ihm ein neuerliches Angebot gemacht habe. »Aber ich habe ihm gesagt, daß ich mich nicht kaufen 79
lasse.« Herr Cerani nickte, schwieg jedoch auch diesmal. Lubji wunderte sich allerdings nicht, als er am Freitag in seiner Lohntüte ein kleines bißchen mehr Geld vorfand.
Lubji sparte auch weiterhin sein ganzes Gehalt. Und dann kam, was er befürchtet hatte: Die ersten Juden wurden wegen Bagatellen verhaftet. Lubji dachte über seinen Fluchtweg nach.
Jede Nacht, sobald die Ceranis zu Bett gegangen waren, schlich Lubji die Treppe hinunter, um in Herrn Ceranis kleinem Arbeitszimmer den alten Atlas zu studieren. Er ging die möglichen Fluchtwege mehrmals durch. Auf keinen Fall durfte er Jugoslawien durchqueren oder auch nur betreten; denn zweifellos dauerte es nicht mehr lange, bis auch dieses Land das gleiche Schicksal erlitt wie Polen und die
Tschechoslowakei. Italien kam ebensowenig in Frage wie Rußland. So entschied Lubji sich schließlich für die Türkei.
Obwohl er keine amtlichen Papiere besaß, beschloß er, sich Ende der Woche zum Bahnhof zu begeben und irgendeinen Zug ausfindig zu machen, der durch Rumänien und Bulgarien nach Istanbul fuhr. Kurz nach Mitternacht faltete Lubji die alten Europakarten zum letztenmal zusammen und kehrte auf seine kleine Dachkammer zurück.
Er wußte, daß er den Ceranis bald Bescheid sagen mußte, beschloß jedoch, damit zu warten, bis er am kommenden Freitag seine Lohntüte erhalten hatte. Er stieg ins Bett. Bevor er einschlief, versuchte er sich vorzustellen, wie das Leben in Istanbul sein würde. Ob es dort einen Markt gab? Und waren die Türken ein Volk, das gern Handel trieb und feilschte?
Laute Schreie und Klopfgeräusche rissen Lubji aus tiefem Schlaf. Er sprang aus dem Bett, rannte zu dem kleinen Fenster und blickte vorsichtig hinaus. Auf der Straße wimmelte es von bewaffneten Soldaten. Einige hämmerten mit den Kolben ihrer Gewehre an Türen. Es konnte sich nur noch um Minuten
handeln, bis sie das Haus der Ceranis erreichten. Hastig schlüpfte Lubji in seine Kleider, holte das Geldbündel unter der 80
Matratze hervor, stopfte es sich unter den Hosenbund und schnallte den Gürtel fester.
Er rannte zum ersten Stock hinunter und ins Badezimmer, das er mit den Ceranis teilte. Mit dem Rasiermesser des alten Mannes schnitt er sich rasch seine schwarzen Ringellocken ab, die ihm bis auf die Schultern hingen, warf sie in die Toilettenschüssel und spülte sie hinunter. Dann nahm er Herrn Ceranis Pomade aus dem Arzneischrank, klatschte sich eine Handvoll aufs Haar und verrieb sie; Lubji hoffte, auf diese Weise würde es weniger auffallen, daß sein Haar eben erst so unfachmännisch gestutzt worden war.
Lubji warf einen raschen letzten Blick in den Spiegel und betete inbrünstig, daß ihn die Invasoren in seinem hellgrauen Zweireiher mit dem breiten Revers und dem weißen Hemd mit dem blauen, getupften Binder für einen ungarischen Geschäftsmann auf Besuch in der Hauptstadt halten würden. Zumindest sprach er jetzt ein akzentfreies Ungarisch. Als Lubji die Treppe hinunterhuschte, hörte er, daß bereits gegen die Tür des Nachbarhauses gehämmert wurde. Rasch warf er einen Blick ins Wohnzimmer, doch die Ceranis waren nicht da. Er ging weiter in die Küche, wo er das alte Ehepaar engumschlungen unter dem Tisch kauernd vorfand. Solange die sieben Kerzen Davids in der Zimmerecke standen, konnten die Ceranis schlecht verheimlichen, daß sie Juden waren.
Wortlos ging Lubji auf Zehenspitzen zum Küchenfenster, das einen Blick auf den Garten hinter dem Haus gewährte. Er öffnete es vorsichtig und steckte den Kopf hinaus. Hier war von Soldaten nichts zu sehen. Lubji drehte den Kopf nach rechts und sah eine Katze einen Baum hinaufklettern. Er blickte nach links – direkt in die Augen eines Soldaten. Neben ihm stand Herr Farkas. Er nickte und sagte: »Das ist er.«
Lubji lächelte hoffnungsvoll, doch der Soldat schmetterte ihm brutal den Gewehrkolben ans Kinn. Kopfüber stürzte Lubji aus dem Fenster auf den Gartenweg.
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Als er emporschaute, blickte er auf ein Bajonett, dessen Spitze knapp über seiner Nasenwurzel schwebte.
»Ich bin kein Jude!« rief er. »Ich bin kein Jude!«
Vielleicht hätte der Soldat ihm eher geglaubt, hätte Lubji die Worte nicht auf jiddisch gebrüllt.
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DAILY MAIL
8. Februar 1945
Jalta: Die Konferenz der großen Drei
Als Keith zum St.-Andrews-Internat zurückkehrte, um dort sein letztes Schuljahr zu
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