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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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eines Oberbefehlshabers befähigt erachte wie keinen anderen Mann im Staat, so werde durch die lex Gabinia doch ein gefährlicher, ganz und gar unrömischer Präzedenzfall geschaffen. Man könne nicht einfach uralte Freiheitsrechte vom Tisch fegen, nur weil irgendwelche Seeräuber vorübergehend Panik verbreiteten. Cicero rutschte nervös auf seinem Platz herum, und unwillkürlich ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass er, hätte er die Möglichkeit gehabt, seine Meinung frei zu äußern, exakt die gleiche Ansprache gehalten hätte.
    Hortensius kam gerade zum Schluss seiner Rede, als sich im hinteren Teil des Saales - in der Nähe der Tür, wo einst auch Cicero unter all den anderen unbedeutenden Senatoren gesessen hatte - Caesar von seinem Platz erhob und Hortensius bat, das Wort ergreifen zu dürfen. Mit der respektvollen Stille, in der man dem großen Advokaten zugehört hatte, war es schlagartig vorbei. Man muss Caesar zugutehalten, dass Mut dazugehörte, es in dieser Atmosphäre mit Hortensius aufzunehmen. Caesar blieb eisern stehen, bis wieder Ruhe eingekehrt war, und begann dann auf seine klare, unwiderstehliche und rigorose Art zu sprechen. Seeräuber, den Abschaum der Meere, zurückschlagen zu wollen, sagte er, sei ganz und gar nicht unrömisch. Unrömisch sei, eine Sache beenden zu wollen, aber nicht die dafür nötigen Mittel bereitzustellen. »Wenn die Republik so perfekt funktioniert, wie Hortensius sagt, warum hat sie dann zugelassen, dass die Bedrohung so groß werden konnte? Und nun, da sie zu so monströser Größe angewachsen ist, wie soll man ihrer jetzt Herr werden?« Er selbst sei vor einigen Jahren auf dem Weg nach Kreta Seeräubern in die Hände gefallen und erst nach einer Lösegeldzahlung freigekommen. Bis zum letzten Mann habe er diesen Abschaum gejagt und zur Strecke gebracht, wie er es ihnen noch als ihr Gefangener prophezeit habe. Jeder Einzelne habe am Kreuz sein Ende gefunden! »Das, Hortensius, ist die römische Art, mit Seeräubern umzugehen. Und deshalb brauchen wir die lex Gabinia.«
    Er beendete unter Buhrufen und Pfiffen seine Rede und setzte sich gerade mit einem unnachahmlichen Ausdruck von Verachtung im Gesicht wieder auf seinen Platz, als es am anderen Ende der Kammer zu Handgreiflichkeiten kam. Ich glaube, ein Senator verpasste Gabinius von hinten einen Faustschlag, worauf dieser herumfuhr, zurückschlug und sich daraufhin binnen Sekunden in höchsten Schwierigkeiten befand, weil sich nun auch andere Senatoren auf ihn stürzten. Krachend, untermalt von einigen Schreien, kippte eine der Bänke um. Ich verlor Cicero aus den Augen. Eine Stimme hinter mir kreischte, dass man Gabinius ermorde. Sofort wurde von hinten gedrängt und gestoßen, das Absperrseil schnalzte aus seinen Halterungen, und wir fielen vornüber in den Saal. Glücklicherweise konnte ich noch rechtzeitig auf die Seite robben, bevor mehrere Hundert von Pompeius ' plebejischen Anhängern (ein zugegebenermaßen ziemlich grobschlächtiger Haufen) in den Gang stürzten, zum Podium der Konsuln liefen und Piso von seinem kurulischen Stuhl zerrten. Einer der Kerle packte den Konsul am Hals, und einen Augenblick lang sah es so, als würde tatsächlich noch ein Mord geschehen. Doch dann schaffte es Gabinius, sich zu befreien, und er kletterte auf eine Bank, sodass alle sehen konnten, dass er - wenn auch etwas angeschlagen - noch am Leben war. Er appellierte an die Demonstranten, Piso loszulassen, und nach einem kurzen Wortgefecht ließen diese widerwillig von ihm ab. Piso rieb sich den Hals und erklärte mit krächzender Stimme, dass die Sitzung ohne Abstimmung vertagt sei. Und so war das römische Gemeinwesen um Haaresbreite - zumindest für den Augenblick - der Anarchie entgangen.
     

     
    Derartige Gewalttätigkeiten hatte man im Herzen von Roms Regierungsviertel seit mehr als vierzehn Jahren nicht mehr erlebt. Sie hinterließen tiefe Spuren bei Cicero, auch wenn er dem Gewühl fast ohne Knitterfalte auf seiner makellosen Toga hatte entkommen können. Gabinius tropfte das Blut von Nase und Lippe, sodass Cicero ihn aus der Kammer geleiten musste. Ein gutes Stück vor ihnen ging Pompeius, der starr geradeaus blickte und mit dem gemessenen Schritt eines Trauergastes den Saal verließ. Woran ich mich am besten erinnere, ist die Stille, als sich der bunte Haufen aus Senatoren und Plebejern teilte, um ihn durchzulassen. Es war, als ob die beiden Parteien erkannt hätten, dass sie sich am Rand des Abgrunds bekämpften

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