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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Crassus natürlich, weil die beiden gegen ihn intrigieren.«
    Ich freute mich wie ein kleines Kind, das soeben fehlerlos seine Lektion aufgesagt hatte. Damals war alles nur ein Spiel, und ich hatte keine Ahnung, dass wir jemals in die Sache hineingezogen werden könnten. Ohne besonderen Grund, denn es war keine Abstimmung erforderlich, schlief die Debatte plötzlich ein, und die Senatoren begannen miteinander zu reden. Gellius, der damals bereits hoch in den Sechzigern gewesen sein rnuss, hielt sich das Tagesordnungsprotokoll dicht vors Gesicht, las mit zusammengekniffenen Augen und ließ dann den Blick durch die Kammer schweifen auf der Suche nach Cicero, der als junger Senator seinen Platz auf den hinteren Bänken nahe der Tür hatte. Cicero stand schließlich auf, Gellius setzte sich, das Gemurmel erstarb, und ich zückte meinen Griffel.
    Es herrschte Stille. Cicero stand stumm an seinem Platz, eine Methode, um die Spannung zu erhöhen. Als er so lange gewartet hatte, dass man glauben konnte, irgendetwas sei nicht in Ordnung, begann er zu sprechen - anfangs sehr leise und stockend, sodass die Anwesenden gezwungen waren, aufmerksam zuzuhören. Und obwohl sie die Worte kaum verstehen konnten, schlug der Rhythmus der Sprache sie in ihren Bann.
    »Ehrenwerte Mitglieder des Senats, verglichen mit den soeben gehörten, aufwühlenden Nachrichten über unsere Soldaten im Feld mag euch das, was ich zu sagen habe, läppisch erscheinen.« Seine Stimme wurde jetzt lauter. »Wenn es aber so weit kommen sollte, dass dieses hohe Haus kein Ohr mehr hat für die Anliegen eines unschuldigen Mannes, dann sind all jene mutigen Taten wertlos, dann bluten unsere Soldaten vergeblich.« Von den neben ihm sitzenden Senatoren war zustimmendes Gemurmel zu hören. »So ein unschuldiger Mann suchte mich heute Morgen in meinem Haus auf. Er ist von einer Person aus unserer Mitte auf so schimpfliche, so ungeheuerliche, so grausame Weise behandelt worden, dass beim Anhören seiner Geschichte selbst den Göttern die Tränen gekommen wären. Ich spreche von dem ehrenwerten Sthenius aus Thermae, bis vor kurzem wohnhaft in unserer bedauernswerten, kläglich verwalteten und aufs Schändlichste ausgebeuteten Provinz Sizilien.«
    Hortensius, der betont lässig in der vordersten Reihe neben dem Konsul saß, zuckte beim Wort »Sizilien« leicht zusammen. Ohne Cicero aus den Augen zu lassen, drehte er sich halb um und flüsterte Quintus, dem ältesten der Metellus-Brüder, etwas zu. Dieser wandte sich daraufhin Marcus zu, dem jüngsten der drei Brüder, und machte ihm ein Zeichen. Marcus ging in die Hocke, empfing seine Anweisungen und eilte, nachdem er sich knapp vor dem präsidierenden Konsul verneigt hatte, durch den Gang in meine Richtung. Einen Moment lang glaubte ich, dass es mir an den Kragen ginge - die Metellus-Brüder waren unangenehme, großmäulige Burschen -, aber er schaute mich nicht einmal an, sondern hob das Seil hoch, schlüpfte darunter hindurch und verschwand in der Menge.
    Inzwischen war Cicero richtig in Fahrt gekommen. Nach unserer Rückkehr von Rhodos war ihm Molons Leitsatz der Vortrag, der Vortrag und noch mal der Vortrag nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Stundenlang hatte er im Theater die Methoden der Schauspieler studiert und ein außerordentliches Talent für Mimik und Mimikry entwickelt. Mit dem sparsamsten Einsatz von Stimme und Gestik konnte er - was er in diesem Augenblick tat - seine Reden mit den Charakteren bevölkern, die er ansprechen wollte. An jenem Nachmittag ließ er den Senat in den Genuss einer Sondervorstellung kommen: Verres ' großmäuliger Arroganz stellte er Sthenius' ' gelassene Würde gegenüber, dem langen Leiden der Sizilier die Schandtaten des amtlichen Scharfrichters Sextius. Sthenius konnte kaum glauben, was er da sah und hörte. Er war jetzt gerade seit einem Tag in der Stadt, und schon war er Gegenstand einer Debatte im römischen Senat. Währenddessen schaute Hortensius immer wieder zur Tür, und als Cicero dem Fazit seiner Rede entgegensteuerte - »Sthenius erbittet unseren Schutz, nicht vor irgendeinem Dieb, sondern vor genau dem Mann, der Dieben das Handwerk legen sollte!« -, sprang er schließlich auf. Gemäß den Regeln des Senats hatte ein amtierender Prätor immer Vorrang vor einem einfachen Mitglied aus den Reihen der pedarii, sodass Cicero keine andere Wahl hatte, als sich zu fügen und seine Rede zu unterbrechen.
    »Senatoren«, rief Hortensius mit donnernder Stimme. »Wir haben uns das

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