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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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jetzt lange genug angehört! Das ist wohl eines der schamlosesten Beispiele an Opportunismus, das dieses hohe Haus je erlebt hat. Erst wird uns ein nebulöser Antrag präsentiert, und dann stellt sich heraus, dass es sich dabei um einen einzigen Mann handelt. Uns liegt kein einziges schriftliches Zeugnis vor, über das wir diskutieren könnten. Wir haben keinerlei Möglichkeit, über den Wahrheitsgehalt des Gehörten zu entscheiden. Ohne sich verteidigen zu können, wird Gaius Verres, ein verdientes Mitglied dieses Hauses, diffamiert. Ich beantrage, die Sitzung umgehend zu schließen.«
    Unter lautem Getrampel der aristokratischen Senatsmitglieder setzte sich Hortensius. Cicero stand auf. Sein Gesicht war vollkommen regungslos.
    »Anscheinend hat der Senator den Antrag nicht gelesen«, sagte er und spielte den Verblüfften. »Wo in meinem Antrag wird auch nur an einer Stelle der Name Gaius Verres erwähnt? Senatoren, ich ersuche dieses Haus nicht, über Gaius Verres abzustimmen. Es wäre unfair, in seiner Abwesenheit über ihn zu richten. Gaius Verres ist nicht hier, um sich zu verteidigen. Da wir somit dieses Prinzip für gültig befunden haben, möchte ich Hortensius bitten, dieses Prinzip auch auf meinen Mandanten anzuwenden und sich einverstanden zu erklären, dass auch gegen ihn in seiner Abwesenheit nicht verhandelt werden sollte. Oder wollen wir ein Gesetz für Aristokraten und ein anderes für den Rest von uns?«
    Das heizte die Stimmung mächtig an und ließ die pedarii um Cicero und die Menge vor der Tür in Jubelgeschrei ausbrechen. Ich spürte Bewegung in meinem Rücken, schaute mich um und sah, wie sich Marcus Metellus grob einen Weg durch die Menge bahnte, den Saal betrat und durch den Mittelgang auf Hortensius zueilte. Cicero beobachtete ihn - erst schien er verwirrt zu sein, dann jedoch erkannte er, was vor sich ging. Schnell hob er die Hand, und es trat Ruhe ein. »Nun gut. Da Hortensius meinen Antrag für zu nebulös hält, mochte ich ihn präzisieren, damit jeder Zweifel ausgeräumt ist. Ich schlage folgende Ergänzung vor: Da Sthenius in seiner Abwesenheit angeklagt worden ist, wird festgestellt, dass in seiner Abwesenheit kein Prozess gegen ihn stattfinden darf und dass, sollte der Prozess schon stattgefunden haben, dieser für unwirksam erklärt wird. Und ich schlage vor: Lasst uns sofort darüber abstimmen. Lasst uns, gemäß den ehrwürdigsten Traditionen des römischen Senats, einen unschuldigen Mann vor der fürchterlichen Strafe der Kreuzigung bewahren.«
    Unter Beifallswie Buhrufen setzte sich Cicero, und Gellius erhob sich. »Der Antrag ist hiermit gestellt«, erklärte der Konsul. »Möchte jemand das Wort?«
    Hortensius, die Metellus-Brüder sowie einige andere ihrer Parteigänger - darunter Scribonius Curio, Sergius Catilina und Aemilius Alba - steckten vor der ersten Bank die Köpfe zusammen, und kurz hatte es den Anschein, als sollte das Haus unverzüglich zur Abstimmung schreiten, was Cicero am liebsten gewesen wäre. Doch als die Aristokraten wieder ihre Plätze einnahmen, blieb einer von ihnen - der dürre Catulus - stehen. »Ich werde sprechen«, sagte er. »Ich glaube, ich habe dazu etwas mitzuteilen.« Catulus war der Urururururenkel (ich glaube, das ist die korrekte Anzahl von Urs) jenes Catulus, der im Ersten Punischen Krieg über Hamilkar triumphiert hatte. Er war so hart und kalt wie Feuerstein, seine ätzend essigsaure Stimme klang wie die Essenz aus zweihundert Jahren Geschichte. »Ich werde sprechen«, wiederholte er, »und als Erstes sage ich, dass dieser junge Mann dort …« Er deutete auf Cicero. »… nichts, aber auch gar nichts über die ehrwürdigsten Traditionen des römischen Senats‹ weiß. Denn wenn er etwas darüber wüsste, dann würde er auch wissen, dass kein Senator einen anderen Senator angreift - es sei denn von Angesicht zu Angesicht. Das offenbart lediglich schlechte Manieren. Ich schaue ihn mir an, wie er da auf seinem Platz sitzt, gerissen, beflissen, und wisst ihr, Senatoren, was mir dabei einfällt? Mir fallt ein altes, weises Sprichwort ein: ›Ein Unze Abstammung ist so viel wert wie ein Pfund Verdienste!‹«
    Jetzt waren es die Aristokraten, die es vor Lachen schüttelte. Catilina, zu dem ich später noch einiges mehr zu sagen habe, deutete auf Cicero und fuhr sich mit dem Finger über die Kehle. Cicero lief rot an, bewahrte aber Haltung. Er brachte sogar ein dürres Lächeln zustande. Catulus drehte sich lachend zu den Bänken hinter ihm

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