Imperium
er zu uns herübergekommen war. Er schien bester Stimmung zu sein, alles andere als niedergeschlagen. »Das war Verres ' Vater. Er hat mir versprochen, seinem Sohn zu schreiben und ihn dringend zu bitten, die Anklage fallen zu lassen, wenn wir uns einverstanden erklären, die Angelegenheit im Senat nicht wieder zur Sprache zu bringen.«
Der arme Sthenius war so erleichtert, dass ich glaubte, er würde gleich in Tränen ausbrechen vor Dankbarkeit. Er fiel auf die Knie und küsste Ciceros Hände. Cicero verzog das Gesicht und sagte, er solle aufstehen. »Mein lieber Sthenius, spar dir den Dank auf, bis ich wirklich etwas erreicht habe. Er hat nur versprochen, ihm zu schreiben. Das ist noch keine Garantie.«
»Aber du nimmst sein Angebot doch an, oder?«, fragte Sthenius.
Cicero zuckte mit den Achseln. »Habe ich eine Wahl? Selbst wenn ich den Antrag noch einmal einbringe, werden sie ihn mit ihrem Rederecht wieder scheitern lassen.«
Ich konnte nicht widerstehen zu fragen, warum Hortensius dann überhaupt so einen Handel anbot.
Cicero nickte bedächtig. »Tja, das ist eine gute Frage.« Vom Tiber stieg Nebel auf, und die Lampen in den Läden am Argiletum verströmten ein fahles gelbliches Licht. Cicero sog die feuchtkühle Luft ein. »Ich nehme an, dass ihn die Sache doch peinlich berührt hat. Was bei ihm schon einiges heißen will. Es scheint so, dass sogar ein Hortensius nicht mit einem derart schamlosen Kriminellen in Verbindung gebracht werden will. Also versucht er, die Angelegenheit geräuschlos beizulegen. Ich frage mich, wie viel er von Verres kassiert hat. Muss eine gewaltige Summe sein.«
»Hortensius war nicht der Einzige, der Verres zur Seite gesprungen ist«, warf ich ein.
»Das stimmt allerdings.« Cicero wandte sich um und schaute zum Senatsgebäude. Anscheinend war ihm gerade ein neuer Gedanke gekommen. »Die stecken da alle mit drin. Die Metellus-Brüder sind Aristokraten bis ins Mark. Die würden keinen Finger für jemanden außerhalb ihres Standes rühren, es sein denn für Geld. Was Catulus angeht, der tut für Gold alles. Das Kapitol sieht mehr nach einem Catulus-Schrein als nach einem für Jupiter aus, mit so vielen Gebäuden hat der Mann in den letzten zehn Jahren den Hügel bepflastert. Tja, Tiro, ich schätze, dass die, mit denen wir es heute Nachmittag zu tun hatten, etwa eine halbe Million Sesterzen schwer waren - und zwar an Bestechungsgeldern. Um sich Schutz solchen Kalibers zu kaufen, Sthenius - verzeih mir, wenn ich das so sage -, reichen ein paar delische Bronzestatuen nicht aus. Aber was führt Verres da unten in Sizilien im Schilde?« Plötzlich zog er seinen Siegelring vom Finger. »Lauf mit dem Ring rüber zum Staatsarchiv, Tiro. Zeig ihn einem der Sekretäre da und sag, du willst in meinem Namen Einsicht in alle offiziellen Abrechnungen zwischen Gaius Verres und dem Senat.«
Ich muss ziemlich entsetzt ausgesehen haben. »Aber im Staatsarchiv haben Catulus ' Leute das Sagen. Er erfährt sicher davon.«
»Daran kann ich auch nichts ändern.«
»Aber wonach soll ich überhaupt suchen?«
»Nach allem, was irgendwie auffällig ist. Das merkst du dann schon. Los, lauf, solange es noch hell ist.« Er legte den Arm um Sthenius ' Schultern. »Und du, Sthenius, du kommst doch heute Abend zum Essen zu uns, oder? Meine Frau wird sich bestimmt freuen.«
Das bezweifelte ich, aber natürlich stand es mir nicht zu, das auch zu sagen.
Mangels ebenbürtiger Gebäude dominierte das wuchtige Staatsarchiv, das damals erst seit sechs Jahren existierte, das Forum noch deutlicher als heute. Ich stieg die breite Treppe zur ersten Galerie hinauf und war, als ich schließlich einen Schreiber fand, schon völlig außer Atem. Ich zeigte ihm das Siegel und forderte im Namen von Senator Cicero Einsicht in Verres ' Abrechnungen. Zunächst behauptete er, nie von einem Senator Cicero gehört zu haben, und außerdem würde das Gebäude gerade geschlossen. Ich deutete zum Carcer, dem Staatsgefängnis, und sagte mit fester Stimme, wenn er nicht wegen Behinderung von Amtsgeschäften einen Monat in Ketten verbringen wolle, solle er mir umgehend die Unterlagen herbeischaffen. (Eins der Dinge, die ich von Cicero gelernt hatte, war, keine Nerven zu zeigen.) Der Schreiber schaute mich finster an, dachte kurz nach und sagte dann, ich solle ihm folgen.
Das Staatsarchiv war Catulus ' Reich, ein Tempel für ihn und seine Familie. Über den Bogenöffnungen stand die Inschrift Q. Lutatius Catulus, Sohn des
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