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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Quintus, Enkel des Quintus, Konsul, per Senatsdekret mit der Erbauung des Staatsarchivs beauftragt und von diesem für gut befunden. Neben dem Eingang befand sich eine lebensgroße Statue von Catulus, die aber jugendlicher und heroischer aussah als der Mann an jenem Nachmittag im Senat. Die meisten Schreiber im Archiv waren Sklaven oder Freigelassene von Catulus, auf ihren Tuniken war sein Emblem, ein kleiner Hund, eingenäht. Eigentlich sollte ich jetzt erzählen, was für ein Mann Catulus war. Die Schuld am Selbstmord seines Vaters gab er dem Prätor Gratidianus - einem entfernten Verwandten Ciceros und Anhänger der Populären. Nach dem Sieg der Aristokraten im Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla nutzte er die Gelegenheit zur Rache. Sein junger Schützling Sergius Catilina prügelte auf sein Geheiß Gratidianus durch die Straßen Roms bis zu Catulus ' Familiengruft. Dort wurden ihm die Arme und Beine gebrochen, die Nase und die Ohren abgeschnitten, die Zunge herausgerissen und die Augen ausgestochen. Derart grässlich verstümmelt, wurde ihm dann noch der Kopf abgehackt, den Catilina triumphierend durch die Stadt trug und dem auf dem Forum auf ihn wartenden Catulus übergab. Jetzt kann man sicherlich verstehen, weshalb ich so nervös war, während ich darauf wartete, ins Archiv eingelassen zu werden.
    Die Dokumente des Senats wurden in brandsicheren Tresorräumen aufbewahrt, die in den Fels des Kapitols gehauen waren und denen kein Blitzschlag etwas anhaben konnte. Als die Sklaven die große Bronzetür öffneten, fiel mein Blick auf Tausende und Abertausende von Papyrusrollen, die sich im Dunkeln des heiligen Hügels stapelten. Fünfhundert Jahre Geschichte lagerten in diesem einen kleinen Gewölbe: ein halbes Millennium an Amtszeiten von Magistraten und Provinzstatthaltern, an Dekreten von Prokonsuln, an Rechtsverordnungen; von Lusitanien bis Makedonien, von Afrika bis Gallien; und in den meisten Dokumenten gaben wenige, immer gleiche Familien den Ton an - die Aemilii, Claudii, Cornelii, Lutatii, Metelli, Servilii. Aus dem, was hier vor mir lag, bezogen Catulus und seinesgleichen die Selbstgewissheit, um auf Ritter aus der Provinz wie Cicero herabblicken zu können.
    Während sie nach Verres ' Dokumenten suchten, ließen mich Catulus ' Sklaven in einem Vorraum warten. Schließlich kehrten sie zurück und stellten mir einen einzigen Korb mit etwa einem Dutzend Papyrusrollen hin. An der Beschriftung der Rollen erkannte ich, dass die Abrechnungen alle aus seiner Zeit als Stadtprätor stammten - mit einer Ausnahme: ein mickeriges Stück Papyrus, das man kaum aufrollen musste, um dessen spärlichen Inhalt zu lesen. Es ging um seine Arbeit als Quästor zur Zeit des Krieges zwischen Sulla und Marius vor zwölf Jahren und umfasste nur drei Sätze: Ich erhielt 2 235 417 Sesterzen. Ich verausgabte für Löhne, Getreide, Zahlungen an Legate, Proquästoren, die Prätorianer-Kohorte 1 635 417 Sesterzen. In Ariminum verblieben 600 000 Sesterzen. Angesichts der Unmengen an Schriftrollen mit akribischen Berichten, die Ciceros Amtszeit auf Sizilien hervorgebracht hatte - die allesamt ich hatte niederschreiben müssen -, konnte ich nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken.
    »Ist das alles?«
    Sonst sei nichts da, versicherte mir der Sklave.
    »Und die Berichte aus Sizilien?«
    »Die liegen der Staatskasse noch nicht vor.«
    »Liegen noch nicht vor? Verres ist schon seit fast zwei Jahren Statthalter in Sizilien.«
    Der Mann schaute mich ausdruckslos an, und ich erkannte, dass es keinen Sinn hatte, noch mehr Zeit mit ihm zu verschwenden. Ich schrieb die drei Sätze ab und ging.
    Während meines Aufenthalts im Staatsarchiv war es in Rom dunkel geworden. In Ciceros Haus hatte sich die Familie schon zum Abendessen versammelt. Cicero hatte jedoch dem Hausverwalter Eros strikte Anweisung gegeben, mich nach meiner Rückkehr sofort ins Esszimmer führen zu lassen. Cicero hatte sich neben Terentia auf einer Speiseliege ausgestreckt. Sein Bruder Quintus und dessen Frau Pomponia waren ebenfalls anwesend. Die dritte Liege wurde von Ciceros Vetter Lucius und dem unglückseligen Sthenius belegt, dem deutlich anzumerken war, dass er sich in seiner schmutzigen Trauerkleidung äußerst unbehaglich fühlte. Ich spürte sofort die Spannung im Raum, obwohl Cicero selbst bester Laune war. Er liebte gemeinsame Abendessen. Nicht wegen des Essens oder Trinkens, sondern wegen der Gesellschaft und der Gespräche. Quintus und Lucius waren neben Atticus die

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