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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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»Geh zurück, mein junger Freund, und erobere Rom.«
     

     
    Na schön. Leicht gesagt. Aber wie stellt man das an? Wie erobert man Rom, wenn einem als einzige Waffe nur seine Stimme zur Verfügung steht?
    Der erste Schritt ist naheliegend: Man muss Senator werden.
    Um in den Senat zu gelangen, musste man mindestens einunddreißig Jahre alt und Millionär sein. Genauer gesagt: Wenn alljährlich im Juli zwanzig neue Senatoren gewählt wurden, die die im abgelaufenen Jahr gestorbenen oder inzwischen zu arm gewordenen ersetzten, hatte man sogar nur für die Kandidatur den Behörden Vermögen im Wert von einer Million Sesterzen nachzuweisen. Aber woher sollte Cicero eine Million nehmen? Sein Vater jedenfalls hatte nicht so viel Geld: Das Anwesen der Familie war klein und mit hohen Hypotheken belastet. Ihm blieben deshalb nur die drei üblichen Optionen: sich die Million zu verdienen, was zu lange dauern würde; sie zu stehlen, was zu riskant war; oder sie zu heiraten, was Cicero kurz nach seiner Rückkehr aus Rhodos tat. Terentia war siebzehn, jungenhaft flachbrüstig, und ihren Kopf zierten kurze, dichte schwarze Locken. Ihre Halbschwester war eine Vesta-Priesterin, Beleg für die hohe gesellschaftliche Stellung ihrer Familie. Wichtiger war, dass ihr zwei Straßenzüge mit Mietwohnungen in den Elendsvierteln von Rom, einige Waldgebiete vor den Toren der Stadt und dazu ein Landgut gehörten. Gesamtwert: eineinviertel Millionen Sesterzen. (Ach ja, Terentia: schlicht, distinguiert und reich - was war sie doch für ein Früchtchen! Erst vor ein paar Monaten habe ich sie gesehen, auf der Küstenstraße nach Neapel. Sie saß in einer offenen Sänfte und kreischte ihre Träger an, dass sie sich etwas beeilen sollten. Ihr Haar war weiß und die Haut walnussfarben, aber ansonsten schien sie sich nicht verändert zu haben.)
    Und so wurde Cicero zur gegebenen Zeit in den Senat gewählt - tatsächlich erzielte er, der inzwischen allgemein als zweitbester Rechtsanwalt Roms nach Hortensius betrachtet wurde, das beste Stimmenergebnis. Bevor er seinen Sitz im Senat einnehmen konnte, musste er das obligatorische Jahr Regierungsdienst außerhalb Roms ableisten, was in seinem Fall die Provinz Sizilien war. Sein offizieller Titel war der eines Quästors, der die unterste Stufe in der Ämterlaufbahn darstellte. Frauen war es verboten, ihre Ehemänner auf diesen Dienstreisen zu begleiten, sodass Terentia - sicher zur großen Erleichterung Ciceros - zu Hause blieb. Ich allerdings ging mit ihm, denn inzwischen war ich für ihn zu einer Art verlängertem Arm geworden, den er, ohne darüber nachzudenken, wie seinen eigenen benutzte. Ein Grund für meine Unverzichtbarkeit war, dass ich eine Technik entwickelt hatte, die es mir erlaubte, seine Worte so schnell niederzuschreiben, wie er sie aussprach. Aus kleinen Anfängen - ich kann in aller Bescheidenheit behaupten, das Et-Zeichen erfunden zu haben - schwoll mein System schließlich zu einem Handbuch mit etwa viertausend Symbolen an. Ich fand zum Beispiel heraus, dass Cicero bestimmte Wendungen immer wieder benutzte. Diese reduzierte ich auf einen Strich oder ein paar Pünktchen und erbrachte somit den Beweis für etwas, was die meisten Menschen ohnehin schon wissen - dass nämlich Politiker im Wesentlichen immer wieder das Gleiche sagen. Er diktierte mir, während er in der Badewanne oder auf dem Sofa lag, in einer schaukelnden Karosse oder auf Landspaziergängen. Ihm gingen nie die Worte aus, und mir fehlte es nie an Symbolen, um seine durch die Luft wirbelnden Worte einzufangen und festzuhalten. Wir waren wie füreinander geschaffen.
    Doch zurück zu Sizilien. Keine Angst: Ich werde über unsere Arbeit jetzt nicht in allen Einzelheiten berichten. Wie so oft in der Politik war die Tätigkeit nicht nur im Rückblick, nach über siebzig Jahren, sondern auch schon damals langweilig. Der Erinnerung wert und von Bedeutung war die Rückreise nach Rom. Um sicherzugehen, dass er genau in den Senatsferien die Bucht von Neapel erreichte, wenn sich die versammelte Politprominenz in den Mineralbädern Puteolis vergnügte, verschob Cicero unsere Abreise extra um einen Monat, von März auf April. Er wies mich an, ein Boot mit zwölf Ruderern anzumieten, das prächtigste, das ich auftreiben könnte, damit er stilvoll - zum ersten Mal würde er die Toga mit dem purpurfarbenen Saum des Senators der Römischen Republik tragen - in den Hafen einlaufen konnte.
    Cicero war davon überzeugt gewesen, in Sizilien

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