Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
derart erfolgreiche Arbeit geleistet zu haben, dass er zu Hause in Rom unausweichlich im Mittelpunkt allen Interesses stehen würde. Auf Hundert stickigen Marktplätzen, unter Tausend staubigen, von Wespen wimmelnden Platanen hatte er unparteiisch und würdevoll römisches Recht gesprochen. Er hatte eine einmalig große Menge Getreide zu einem einmalig niedrigen Preis gekauft und für das Wahlvolk nach Rom transportieren lassen. Seine Reden bei Regierungszeremonien waren Meisterwerke an Taktgefühl gewesen. Er hatte sogar Interesse an den Gesprächen der einheimischen Bevölkerung geheuchelt. Er wusste, dass er gute Arbeit geleistet hatte, und brüstete sich mit seinen Errungenschaften in einem Strom von Berichten an den Senat. Ich muss gestehen, dass ich den Tonfall seiner Berichte gelegendich etwas abmilderte, bevor ich sie dem offiziellen Boten übergab, und dass ich ihn darauf hinzuweisen versuchte, dass nicht jeder Sizilien für den Mittelpunkt der Welt hielt. Er nahm jedoch keine Notiz davon.
    Ich sehe ihn noch vor mir, wie er bei unserer Rückkehr nach Italien am Bug stand und angestrengt zur Anlegestelle von Puteoli blickte. Was hatte er erwartet? Eine Musikkapelle, die ihn an Land geleitete? Eine Abordnung der Konsuln, die ihm einen Lorbeerkranz überreichte? Sicher, an Land war eine Menschenmenge zu sehen, aber die war nicht seinetwegen gekommen. Hortensius, der schon das Konsulat ins Auge gefasst hatte, veranstaltete auf mehreren farbenprächtig geschmückten Vergnügungsschiffen, die ganz in der Nahe festgemacht hatten, ein Bankett. Die Menschen an der Anlegestelle waren seine Gäste, die darauf warteten, übergesetzt zu werden. Cicero ging an Land - unbeachtet. Verwirrt schaute er sich um, als einigen der Festgäste sein makellos leuchtendes Senatorengewand auffiel. Sie liefen auf ihn zu, und er straffte in freudiger Erwartung die Schultern.
    »Senator«, rief einer. »Was gibt ' s Neues in Rom?«
    Cicero schaffte es irgendwie, sein Lächeln zu bewahren. »Ich komme nicht aus Rom, guter Mann. Ich bin auf dem Rückweg aus meiner Provinz.«
    Ein rothaariger, eindeutig schon betrunkener Mann sagte: »Hört, hört, guter Mann! Er ist auf dem Rückweg aus seiner Provinz …«
    Der Mann machte sich kaum die Mühe, sein Lachen im Zaum zu halten.
    »Was ist so lustig daran?«, fragte ein Dritter, der die Wogen glätten wollte. »Hast du das etwa nicht gewusst? Der Senator kommt aus Afrika.«
    Ciceros Lächeln war heldenhaft. »Nun ja, eigentlich aus Sizilien.«
    Möglich, dass es noch eine Weile in diesem Tonfall weiterging. Ich kann mich nicht erinnern. Als die Leute merkten, dass es hier keine Klatschgeschichten aufzuschnappen gab, trollten sie sich wieder. Kurz darauf erschien Hortensius und geleitete die restlichen Gäste zu ihren Fährbooten. Er hatte zumindest die Höflichkeit, Cicero mit einem kurzen Nicken zu begrüßen, war aber eindeutig nicht gewillt, ihn ebenfalls zu seinem Fest zu bitten. Wir blieben allein zurück.
    Ein unbedeutender Vorfall, könnte man meinen, doch Cicero selbst pflegte später zu sagen, dass dies der Augenblick war, in dem sein Ehrgeiz so hart wie Stein wurde. Er war gedemütigt worden - gedemütigt von seiner eigenen Eitelkeit - und hatte auf brutale Art erkennen müssen, wie gering seine Stellung in der Welt war. Lange Zeit blieb er am Ufer stehen, beobachtete das festliche Treiben von Hortensius und seinen Freunden und lauschte den heiteren Flötenklängen, die über das Wasser wehten. Als er sich schließlich abwandte, war er ein anderer Mensch. Ich übertreibe nicht, ich habe es in seinen Augen gesehen. Na schön, schien sein Gesichtsausdruck zu sagen, albert nur rum, ihr Idioten, ich werde mich an die Arbeit machen.
    »Ich bin geneigt zu behaupten, meine Herren, dass diese Erfahrung von größerem Wert für mich war, als wenn man mich mit Beifallsstürmen begrüßt hätte. Fortan kümmerte ich mich nicht mehr darum, was die Welt wohl von mir zu hören bekäme: Seit jenem Tag achtete ich darauf, dass man mich täglich zu Gesicht bekam. Ich lebte im Licht der Öffentlichkeit. Ich ging regelmäßig zum Forum. Weder mein Türwächter noch mein Schlaf hinderten irgendwen daran, mich in meinem Haus zu besuchen und mit mir zu sprechen. Auch wenn ich nichts zu tun hatte, hieß das nicht, dass ich nichts tat. Zeit vollkommener Muße war etwas, das ich nicht kannte.«
    Erst kürzlich stolperte ich bei der Lektüre einer seiner Reden über diese Passage, für deren Richtigkeit ich

Weitere Kostenlose Bücher