Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
Krankheitskomplikationen betreffen Säuglinge in den ersten drei Lebensmonaten. Die Sterblichkeit liegt in diesem Zeitraum bei 1:500. Junge Säuglinge neigen zum Atemstillstand während oder anstelle eines Hustenanfalls und zu Lungenentzündungen. Sie müssen daher unter Umständen mit einem Atemmonitor überwacht und manchmal auch in ein Krankenhaus eingewiesen werden. Die Komplikationsgefahr bei Säuglingen ist der Grund für die Impfempfehlung »zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. unmittelbar nach Vollendung des 2. Lebensmonats« ( RKI 2010). Ein besonders hohes Risiko haben Frühgeborene und Säuglinge mit schweren Grunderkrankungen wie Herzfehlern oder Beatmungsschäden an der Lunge.
Nach dem sechsten Lebensmonat nimmt das Risiko von Komplikationen deutlich ab. Bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sind die Verläufe meist mild, und der Keuchhusten wird oft nicht erkannt. Es gibt jedoch auch in höheren Altersgruppen schwere Erkrankungen, die sogar eine stationäre Behandlung erforderlich machen können.
Tödliche Keuchhustenverläufe sind in Deutschland sehr selten. Sie betreffen fast ausschließlich Säuglinge in den ersten drei Lebensmonaten und alte Menschen mit schweren Vorerkrankungen. Zwischen 1974 und 1991, als die Impfung nicht öffentlich empfohlen war, wurden jährlich sieben bis acht Todesfälle registriert (
EB
1999). Seit Wiedereinführung der Impfung im Jahr 1992 wird durchschnittlich ein tödlicher Krankheitsverlauf pro Jahr gemeldet (Herzig 1998, GBE 2002,
EB
2009). Die Opfer waren in den letzten Jahren fünf alte Menschen und ein Jugendlicher (
EB
2009). In Entwicklungsländern sterben jährlich bis zu 300000 Kinder an Keuchhustenkomplikationen, begünstigt durch Vitaminmangel und Unterernährung ( WHO 2010).
Die Diagnose des Keuchhustens
Der Keuchhusten unterscheidet sich von einem normalen Luftwegsinfekt dadurch, dass der Husten in der zweiten Krankheitswoche nicht abklingt, sondern an Intensität zunimmt. Jeder erfahrene Arzt kann die Diagnose auch ohne Laboruntersuchung stellen, wenn er den Erkrankten bei einem typischen Anfall sieht. Oft ist die Lage jedoch unklar, etwa in folgenden Fällen:
Ein Kind beginnt nach einem fraglichen Kontakt mit einem Erkrankten, etwa aus einer anderen Kindergartengruppe, zu husten.
Ein Kind hustet schon mehrere Wochen gleichförmig ohne den typischen rhythmischen Verlauf wiederkehrender Infekte.
Ein Erwachsener hat über mehr als zwei Wochen einen nicht kontrollierbaren Reizhusten.
In solchen Fällen ist eine Labordiagnostik angezeigt. In den ersten zwei Wochen des Keuchhustens kann man die Erreger direkt über einen Nasen-Rachen-Abstrich nachweisen. Diese sogenannte PCR -Untersuchung ist zwar teuer, aber schnell und sicher – wobei es gelegentlich auch einmal falsch positive Resultate, also falschen Alarm gibt.
Da die Erreger in der dritten Krankheitswoche eliminiert werden, kann ab dann nur noch der Antikörpernachweis aus dem Blut Anhaltspunkte liefern (der jedoch meist erst am Ende der dritten Woche positiv wird). Es ist also wichtig zu überlegen, wann genau die ersten Hustensymptome aufgetreten sind.
Misst man im Blut ein Anti-Pertussis-Toxin IgG von über 100 IE /ml, liegt sehr wahrscheinlich ein frischer Erregerkontakt vor. Werte zwischen 40 und 100 IE /ml sind fraglich positiv. Niedrige Werte sind gerade bei Geimpften oder Jugendlichen und Erwachsenen schwer zu interpretieren, weil man nicht unterscheiden kann, ob man aktuelle oder alte Antikörper misst. Hier schafft manchmal erst die Wiederholung der Untersuchung nach 14Tagen Sicherheit: Im Fall einer aktuellen Erkrankung steigen die Antikörper in diesem Zeitraum deutlich an.
Für eine frische Infektion bei Geimpften sprechen auch hohe IgA-Antikörper gegen das Keuchhustentoxin. Eine Impfung führt in der Regel nicht zur Bildung dieser für den Schleimhautschutz verantwortlichen Antikörper.
Der Keuchhustenimpfstoff
Der früher verwendete »Ganzkeim-Impfstoff«, der direkt aus den Keuchhustenbakterien hergestellt wurde, wird in den meisten Ländern Europas nicht mehr verwendet. Im Zusammenhang mit diesem Impfstoff waren vermehrt Krampfanfälle, bleibende Hirnschäden und Todesfälle gemeldet worden (Ehrengut 1974, Geier 2004). Wegen dieser Nebenwirkungen war die Impfempfehlung von 1974 bis 1991 in Deutschland ausgesetzt worden.
In den neunziger Jahren wurde der alte Impfstoff von dem besser verträglichen, aber schwächer wirksamen »azellulären« Impfstoff
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