Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
zu stopfen, und immer wieder tritt das Wasser woanders aus. Das Ziel der Krankheitsausrottung ist dadurch nicht näher gerückt, und auch die Erkrankungen im Säuglingsalter haben in den letzten Jahren nicht weiter abgenommen (Hviid 2006, Castagnini 2011). Im Gegenteil: In allen Ländern mit hoher Impfbeteiligung wird der Keuchhusten in den letzten Jahren wieder häufiger.
Mathematische Modelle zeigen, dass Keuchhustenepidemien umso stärker ausfallen, je mehr man sie durch die Ausweitung von Impfprogrammen zu verhindern sucht. Ein häufiger Kontakt mit Keuchhusten führt zu unmerklichen oder milden Erkrankungen, ein seltener Kontakt macht wegen des zwischenzeitlichen Verlusts der Immunität heftigere Krankheitsbilder wahrscheinlich (Aguas 2006).
Gerade die Impfung von älteren Kindern und Jugendlichen erhöht die Wahrscheinlichkeit von Keuchhusten im Erwachsenenalter, womöglich bei frischgebackenen Eltern. Schwedische Epidemiologen denken offen darüber nach, ob man nicht eine gewisse natürliche Durchseuchung einfach akzeptieren sollte. Dadurch würde die Immunität der Geimpften immer wieder aufgefrischt (»geboostert«), es würden Kosten gespart und Impfnebenwirkungen vermieden (Hallander 2011).
Die Rückkehr des Keuchhustens
In den vergangenen Jahren ist es in vielen Ländern zu einer regelrechten Renaissance des Keuchhustens gekommen:
In Schweden erreichen die Erkrankungszahlen unter Schulkindern wieder annähernd das Niveau wie vor der Impfära (Gustafsson 2006).
In den Niederlanden lagen die Erkrankungsziffern bei Säuglingen 2002 höher als in den frühen neunziger Jahren. Auch eine Ausweitung der Impfempfehlungen änderte nichts an diesem Trend (de Greef 2003).
In Australien nehmen seit 2008 die Erkrankungszahlen trotz gleichbleibender Impfquoten stark zu (Lam 2012).
In den USA steigen die Erkrankungszahlen in allen Altersgruppen seit den achtziger Jahren um das Vielfache an und erreichten zeitweise wieder das Niveau der vierziger oder fünfziger Jahre ( CDC 2007, CDC 2011). 2011 erkrankten in Kalifornien Hunderte von komplett geimpften Kindern. Es gab zehn Todesfälle bei Säuglingen im Alter von bis zu vier Monaten ( MMWR 2002, CDC 2007, CDC 2011).
Irgendetwas stimmt nicht mit der Keuchhustenimpfung. Der zunehmende Wirksamkeitsverlust lässt sich nicht damit erklären, dass die natürliche Boosterung nachgelassen hat. Einer der wenigen Keuchhusten-Impfforscher ohne Interessenkonflikte, der Niederländer Frits Mooi, ist sich sicher, dass die Keuchhustenerreger durch Mutationen teilweise resistent gegen die Impfstoffe geworden sind (Mooi 2010). Auch australische Forscher erklären die Zunahme des Keuchhustens damit, dass die modernen Impfstoffe, die nur wenige immunologisch wirksame Eiweiße enthalten, einen stärkeren Selektionsdruck auf die Bakterien ausüben als die früheren Ganzkeimimpfstoffe mit ihren vielen Antigenen. In Australien hat das zum Auftauchen besonders aggressiver Bakterien mit einer starken Toxinbildung geführt (Lam 2012, Octavia 2012).
Der Mensch ist wohl auch im Fall des Keuchhustens der Natur immer einen Schritt hinterher. Frits Mooi macht sich stark für die Entwicklung effektiverer Impfstoffe und kritisiert die Global Pertussis Initiative, weil sie die schlechte Wirksamkeit der gegenwärtigen Impfstoffe ignoriert und diesbezügliche Forschung zensiert und ausblendet.
Die Impfstoffhersteller und die von ihnen gesponserten Forschergruppen betreiben jedoch aus naheliegenden Gründen lieber die Ausweitung der Impfprogramme mit den vorhandenen Impfstoffen, und die Impfkommissionen der Welt gehen damit konform. Sie sind der Ansicht, dass die gegenwärtigen Impfstoffe und die vielen Auffrischungen zwar nicht ideal sind, aber immer noch besser als gar keine Impfung (Popescu 2010).
So gehen die Impfempfehlungen in immer neue Runden. In Österreich sind für Erwachsene sogar in zehnjährigem Rhythmus Auffrischungsimpfungen empfohlen. Dies dürfte jedoch keine Auswirkung auf die Erkrankungsrate von Säuglingen haben und wird erfahrungsgemäß auch nicht akzeptiert und umgesetzt (Rohani 2010). Letztendlich kosten die vielen Impfungen – einmal ganz abgesehen von den Nebenwirkungen – auch eine ganze Stange Geld.
Die »Kokonstrategie«
Effektiv und relativ kostengünstig scheint nur die Kokonstrategie zu sein – die einmalige Impfung der engen Kontaktpersonen von Neugeborenen und jungen Säuglingen. Vater und Kinder könnten vor der Geburt eines Babys geimpft werden.
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