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Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Titel: Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hirte
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Krankheits- und Todesfälle im Säuglingsalter geführt (Gustafsson 2006). Nach einer Elternbefragung in Deutschland in den Jahren 2003 bis 2006 war bei 2,3 Prozent der geimpften und 15,8 Prozent der ungeimpften Kinder Keuchhusten diagnostiziert worden (Schmitz 2011). Diese Zahlen sind allerdings nicht repräsentativ: Eltern und Ärzte übersehen bei einem geimpften Kind oft den Keuchhusten, weil sie nicht damit rechnen.
    Die Effektivität der Impfung wird vielfach überschätzt. Die Schutzrate im ersten Jahr nach der Grundimmunisierung liegt nur bei 56 bis 64 Prozent. Zusätzliche 20 Prozent sind zwar zunächst vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt, können aber einen leichten Keuchhusten durchmachen ( WHO 2009). Frühgeborene sprechen noch schlechter auf die Impfung an (Baxter 2010).
    Die Wirkung der Impfung ist nicht nur unzuverlässig, sondern auch flüchtig. Bereits ab dem zweiten Jahr nach der Impfung steigt die Empfänglichkeit für Keuchhusten wieder an, und spätestens mit dem Alter von sechs Jahren ist nicht mehr mit einem signifikanten Schutz zu rechnen (Lugauer 1999, Esposito 2001, Gustafsson 2006). Im Alter von zwei bis sieben Jahren beträgt die Schutzquote nach einer Analyse von Krankheitsepidemien in den USA nur 41 Prozent (Witt 2012). Nicht selten bricht Keuchhusten in Kindergärten aus, und Geimpfte und Ungeimpfte erkranken gleichermaßen ohne deutliche Unterschiede im Krankheitsverlauf.
    Nachimpfungen stellen die Immunität zwar zunächst wieder her, ohne dass diese jedoch – wie etwa im Fall der Tetanusimpfung – jemals dauerhaft wird. Die Statistiken der letzten Jahrzehnte zeigen, dass der Keuchhusten heute genauso häufig ist wie vor Beginn der Impfära, er erfasst nur andere Altersgruppen. Jeder bekommt irgendwann Keuchhusten – die Ungeimpften früher, die Geimpften später.
    Durch Laboruntersuchungen lässt sich nicht sicher klären, ob ein Impfschutz besteht; ab einem Anti-Pertussis-Toxin-IgG von 66 IE /ml ist allerdings eine schwere Erkrankung unwahrscheinlich (Cherry 1998). Man kann nicht unbegrenzt oft nachimpfen, da mit jeder weiteren Impfung das Risiko von Nebenwirkungen ansteigt (Scheifele 2009, Kemmeren 2011).
    Nach der ersten Impfung eines Säuglings ist noch wenig Wirkung zu erwarten, so dass für die besonders problematischen ersten drei Lebensmonate kein relevanter Impfschutz zu erzielen ist (Gustafsson 2006, Nilsson 2011). Die Impfabsicht war ursprünglich auch nicht der Schutz des Kindes selbst, sondern die Verhinderung der Ansteckung künftiger Geschwister und die Hoffnung, man könne den Keuchhusten ausrotten. Erst die zweite Impfung verringert die Erkrankungswahrscheinlichkeit signifikant.
    Die Impfung verhindert jedoch nicht die Besiedlung der Luftwege mit Keuchhustenbakterien. Sogar frisch Geimpfte können Keimträger sein und andere anstecken, ohne selbst krank zu sein ( RKI 1999, Srugo 2000). Die sogenannte »Kokonstrategie«, also die Impfung der Kontaktpersonen junger Säuglinge, ist aus diesem Grund nicht sicher wirksam.
    In Deutschland ist für
alle
(auch die geimpften) Kontaktpersonen von Keuchhustenpatienten eine siebentägige antibiotische Prophylaxe empfohlen – insbesondere dann, wenn ein enger Kontakt zu einem Säugling besteht (
EB
2001). Die Sinnhaftigkeit dieser Empfehlung wird vom unabhängigen Cochrane Institute angezweifelt, da die Häufigkeit von Keuchhustenerkrankungen und Komplikationen dadurch nicht nachweislich verringert wird (Altunaiji 2005).
    Erfolglose Eskalation der Impfempfehlungen
    Die Keuchhustenerreger zirkulieren ungeachtet einer hohen oder niedrigen »Durchimpfung« in gleichem Maße in der Bevölkerung. Durch die Grundimmunisierung der Säuglinge und die Auffrischungsimpfung im Vorschulalter hat sich die Krankheit in höhere Altersgruppen verschoben. Vor Einführung der Impfung erkrankten vor allem Kleinkinder, 1995 lag das durchschnittliche Erkrankungsalter bei 15Jahren, 2008 war es auf 41 Jahre hochgeklettert (
EB
2009). Wenn heutzutage ein Erwachsener länger als zwei Wochen hustet, so hat er mit 25-prozentiger Wahrscheinlichkeit Keuchhusten. Die Krankheitssymptome sind oft untypisch, und bevor die Diagnose gestellt wird, sind andere schon infiziert oder sogar erkrankt.
    Die Impfstrategen reagieren auf diese Entwicklung mit einer Art Eskalationspolitik: Die Impfempfehlungen werden im Jahrestakt erweitert und »angepasst«. Es ist wie bei einer porösen Wasserleitung: Man versucht das Rohr an allen möglichen Stellen

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