In Blut geschrieben
Frau gefunden haben.«
»Oh, das ist schwierig, der Park ist so weitläufig, und man kann die Wege leicht verwechseln. Ich werde Sie hinführen. Suchen Sie etwas Besonderes?«
Sie wollte nicht ins Detail gehen und schüttelte den Kopf.
»Ich möchte mich nur mal umsehen.«
Briggs zuckte mit den Schultern und zog seinen Blouson mit dem Parkwächterabzeichen über.
»Kommen Sie, wir nehmen meinen Wagen, das ist praktischer.«
Der kleine grüne Pick-up durchquerte auf einer der beiden geteerten Straßen die bewaldete Zone des Prospect Park von West nach Ost. Annabel, der auffiel, dass ihnen kein anderes Fahrzeug begegnete, erkundigte sich nach dem Grund.
»Diese beiden Achsen bleiben mehrere Monate für die Öffentlichkeit gesperrt. Der Park wird gerade völlig neu gestaltet – eines der Sanierungsprojekte der Stadt. Die Schließung dieser Achsen bedeutet natürlich, dass die Autofahrer größere Umwege in Kauf nehmen müssen. Sie können sich nicht den Berg von Beschwerden vorstellen, der sich bei uns auftürmt!«
»Ich habe von diesem Plan gehört, wusste aber nicht, dass er tatsächlich verwirklicht wird. Wenn ich mich recht entsinne, gehört auch die Renovierung des Bootshauses dazu, eine gute Sache.«
Wie viele ihrer Kollegen hatte Annabel häufig mit Überfällen und Drogendelikten zu tun, die sich in dem halb verfallenen Gebäude am Lullwater abspielten. Bei dem ersten Fall, den sie als Detective bearbeitet hatte, ging es um die Leiche eines jungen Schwarzen, die hier gefunden worden war. Sie hatte noch genau das flackernde Licht der Polizeiwagen vor Augen, das sein Gesicht abwechselnd in Blau und Rot getaucht hatte, hörte noch das Plätschern der neugierigen Enten und den Wind, der eine Tür des Bootshauses in den Angeln hatte quietschen lassen. Ein finsterer Ort, erinnerte sie sich mit einem Schaudern.
Der Wagen passierte eine Brücke, die über den See führte.
»Wir kommen zum Breeze Hill, dort wurde das Mädchen gefunden«, kündigte Briggs feierlich an, so als fände er plötzlich Gefallen am Detektivspiel.
Er parkte zwischen zwei hohen Nussbäumen und führte Annabel zu einem Weg, der mit Stufen aus Rundhölzern begann.
Von der Stadt ringsumher war nichts zu hören, nur der Verkehr auf dem East Lake Drive, stark gedämpft durch die Vegetation. Der bleierne Himmel entlud weiter seine weißen schweren Flocken, die sich am Boden sofort zu kleinen Wasserpfützen auflösten.
Sie folgten dem Pfad, der sich zwischen mächtigen Baumstämmen den Hang hinabschlängelte, vernahmen das Knacken von Ästen, die sich aneinander rieben. Briggs blieb auf halber Höhe stehen, von wo aus sie durch die entlaubten Baumkronen einen Teil des Sees schimmern sahen, dessen Oberfläche von farblos grauen, sich kräuselnden Wellen überzogen war. Die ganze Landschaft war die des Winters – eine Auszeit des Lebens, so als wäre jeglicher Optimismus auf halbmast gesetzt worden.
Er deutete auf eine Stelle am Ufer, die mit Schilf bewachsen war.
»Sie kam dort herausgekrochen, hin zu der freien Fläche direkt unter uns. Es ist ein alter Weg, der zum Schutz der Wasserpflanzen im Winter gesperrt ist.«
»Haben Sie das Areal anschließend inspiziert?«
Briggs musterte sie, als hätte sie chinesisch mit ihm gesprochen.
»Also … nein. Schließlich haben wir keine Beweise gesucht, es ging ja nicht um ein Verbrechen, ich meine, sie war am Leben, ich dachte nur, dass wir sie so schnell wie möglich ins Warme bringen müssen.«
Annabel nickte, ohne das Schilf aus den Augen zu lassen.
»Das war natürlich vorrangig.«
Sie wollte über die kleine Mauer am Wegesrand steigen und die Böschung hinunterklettern, doch Briggs hielt sie am Arm zurück.
»Halt, nein! Sie rutschen nur aus und tun sich weh! Dieser Pfad hier führt auch nach unten, folgen Sie mir.«
Die junge Frau fügte sich ohne Murren, obwohl die Strecke direkt den Hang hinunter natürlich kürzer gewesen wäre. Sie zog ein chinesisches Stäbchen aus der Tasche und steckte ihre Zöpfe im Nacken zu einem Knoten zusammen. Am Ufer angelangt, hüllte sie sich noch fester in ihre Bomberjacke ein, so kalt blies der Wind.
»Sie muss etwa hier gewesen sein, als ich kam.«
Der Parkwächter deutete mit dem Finger auf zwei kümmerliche Schilfbüschel. Annabel ging einmal außen herum, beugte sich über die Spuren im feuchten Erdreich und versuchte zu erkennen, woher sie stammten. Es waren mehrere frische, parallel verlaufende Rillen zu sehen. Annabel begann die Umgebung
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