In Den Armen Der Finsternis
eine andere Welt sein können. Mein Mann und ich befanden uns in unserem eigenen Labyrinth.
»Ich weiß noch immer nicht, was ich bin«, flüsterte er. »Ich will dir nicht weh tun.«
»Dann hör auch auf, mir meine Sätze zu stehlen«, erwiderte ich leise und küsste ihn auf den Mund. »Und hab bitte keine Angst.«
Grant zog mich fester an sich, lehnte uns beide gegen den Tresen und nahm das Gewicht so von seinem versehrten Bein, dass er seinen Gehstock wegstellen und mich mit seinem anderen Arm festhalten konnte. Er strich mit den Fingern durch mein Haar. Dek und Mal schnurrten.
»Ich hatte nie einen Plan.« Er sprach so leise, dass ich ihn kaum hören konnte. »Ich hatte Macht - und setzte sie auch ein. Ich nahm sie als selbstverständlich und tat, als sei sie harmlos.«
Er starrte in meine Augen. »Es ist dasselbe, was Vater Ross angetan wurde, stimmt’s? Ich meine das, was ich mit den Dämonen tue. Wie ich sie und andere verändere, gegen ihren Willen? Es gibt keinen Unterschied.«
»Du irrst dich«, widersprach ich. »Diese beiden Dinge kannst du nicht einmal in einer Million Jahre miteinander vergleichen.«
»Und wenn ich jetzt eine Million Jahre alt bin?« Grant lächelte gequält. »Oder noch älter? Was würde ich mit dieser Gabe werden, Maxine, wenn ich zu lange lebte? So lange wie ein Avatar, zum Beispiel? Würde ich so werden wie Mr. Koenig? Ist es das, was die Macht, Menschen zu verändern, aus einem machen kann?«
Leben die Frauen aus meiner Familie deshalb nur so kurze Zeit?, fragte ich mich unwillkürlich. Liegt es daran, dass wir korrumpierbar sind, und dass die Jungs von unseren Herzen kontrolliert werden? Ist der Grund dieser, dass Macht gegeben und abgegeben werden muss und nicht gehortet werden darf?
Ich sah zu Boden und bemerkte, dass Zee hinter dem Küchentresen hervorspähte. Rohw und Aaz waren bei ihm, die
Baseballschläger gesenkt und ihre Teddybären immer noch in den Händen. Meine Jungs, so süß und doch so wahnsinnig gefährlich!
Zee grinste mich so an, dass seine Zähne blitzen und ich lachen musste, während ich Grants Sweatshirt packte und ihn noch dichter an mich zog. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, starrte in seine Augen und genoss die Hitze zwischen uns, dieses Licht in meinem Herzen, das die Dunkelheit darin umhüllte.
»Du bist ein guter Mann«, erklärte ich ihm nachdrücklich. »Du wirst auch als ein guter Mann sterben, in einer fernen, sehr fernen Zukunft.« Ich hob die Hand und streichelte seine Wange. »Vielleicht in einem Bett und in meinen Armen. Du alter, du uralter Ma+nn.«
Grants Blick wankte nicht. »Dafür lohnt es sich ja zu leben.«
Das fand ich auch.
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Hunter Kiss 02. Darkness Calls« bei Ace Books,
The Berkley Publishing Group, a division of Penguin Putnam, Inc., New York
1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung Oktober 2010
bei Blanvalet, einem Unternehmen
der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Copyright © der Originalausgabe 2009 by Marjorie M. Liu
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010
by Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.
Redaktion: Joern Rauser
UH · Herstellung: sam
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
eISBN 978-3-641-05813-5
www.blanvalet.de
www.randomhouse.de
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