In den Armen der Nacht
Geliebter.
Und …
Dieser Idiot. Dieser verdammte Idiot.
Sie ließ den toten Hardwick los und stürzte sich auf
Rurik. Rammte ihm ihre Schulter in den Magen, woraufhin er sich der Länge nach hinlegte. Bevor er wieder zu Atem kam, schwang sie sich auf ihn und beugte sich über sein Gesicht. »Hast du den Verstand verloren? In diesem Grab lauern bestimmt zig tödliche Fallen.«
»Wer hat hier den Verstand verloren?« Seine topasbraunen Augen bohrten sich in ihre. Er war wütend, mordswütend.
Er tippte darauf, dass das bei Tasya zum Dauerzustand werden könnte. »Ich bin vorsichtig und stampfe nicht wie eine lebende Zielscheibe die Rampe hinunter.«
»Ich war schon häufiger hier unten.«
»Ja, aber als der erste Steinquader in der Mauer bewegt wurde, geriet in diesem Grab im wahren Wortsinn alles aus den Fugen.« Sie umklammerte Ruriks Hemdfront mit den Fäusten und flüsterte weich, damit die Reporter nichts mitbekamen: »Der alte Dämon, der hier bestattet liegt, gönnt uns den Grabschatz nicht. Hier ist nichts mehr sicher.«
»Und was machst du dann hier?« Sein Körper war warm. Und tröstlich.
Ihr war kalt und mulmig zumute. Sie hatte das Gefühl, dass er ihr ein Stück Geborgenheit schenkte.
Und das war tückisch. »Was sollte ich denn machen? Hardwick hier unten vermodern lassen?«
Er schien den Atem anzuhalten und senkte die Lider, als spiegelte sich in seinem umwölkten Blick ein sinnliches Geheimnis.
Hastig ließ sie sein Hemd los.
O Schreck. Ihr fiel nämlich prompt ein, wie weich sein braunes Haar war, als sie es mit ihren Fingern verwuschelt
hatte. Dass der trainierte Körper unter seiner Arbeitskleidung einer Frau himmlische Wonnen bescheren konnte - dass das Tattoo, das seine Brust, den Bauch und einen Arm bedeckte, bestimmt eine Jugendsünde gewesen war und Frauen es sündhaft sexy fanden. Bei der Erinnerung an ihre gemeinsame Liebesnacht schmolz sie dahin wie Eiskristalle in der Sonne. Die Glut der Leidenschaft und seine Beschützerinstinkte stimmten sie im Nachhinein jedoch skeptisch.
Bisweilen, wenn sie in seiner Nähe war, empfand sie - quälende Angst. Wie in jener Nacht, als das Feuer ausgebrochen war und Zerstörung, Hoffnungslosigkeit und unendliche Dunkelheit sie umfangen hatten.
Sie schwang sich von ihm runter.
Er klappte die Lider auf, sein Blick ärgerlich. »Musst du dich eigentlich immer in die gefährlichsten Abenteuer stürzen? Kannst du nicht mal einen Kollegen über irgendwelche Massaker, Geiselnahmen und tödliche Seuchen berichten lassen?« Er tat gerade so, als hätten sie diese Diskussion tagtäglich, dabei hatte er ihre journalistische Arbeit bisher nie erwähnt, ja zuvor kaum mit ihr geredet. Ihre gegenseitigen Ressentiments bedurften keiner großen Worte.
Genauso wenig wie ihre Leidenschaft.
Nein. Keine Erinnerungen. Nicht jetzt!
Tasya schaute sich um, blickte in Gesichter, in denen sich unverhohlene Neugier zeigte. Sie waren von den Bewohnern des Dorfes umringt. Von Reportern. Von seinem Archäologenteam. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Diskussion.«
»Wann wäre es dir denn lieber? Nach einer stürmischen
Liebesnacht? Nein, warte. Du bleibst ja nie bis zum Frühstück. Du verschwindest klammheimlich, ohne ein kurzes Lebewohl.« Rurik blieb sichtlich relaxed am Boden liegen und grinste scheinheilig.
Dieser Schuft! Ihr konnte er nichts vormachen. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt.
Weil er sie umschlingen wollte? Um sie daran zu erinnern, dass sie das letzte Mal nackt in seinen Armen gelegen hatte?
»Nicht jetzt«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Glaub mir, so schlau bin ich auch.« Er setzte sich auf, schlang demonstrativ die Arme um seine angezogenen Knie. »Klär mich mal auf, was genau hier passiert ist.«
Tasya war heilfroh, dass er das Thema wechselte. »Hardwick hatte keine Chance. Er entfernte einen Stein aus der Mauer, und die Klinge schoss hervor - als wenn sie tausend Jahre auf ihren Einsatz gewartet hätte.«
Rurik musterte Hardwick mitleidslos. »Der Typ war ein ignoranter, vorlauter Spinner.«
»Das ist noch lange kein Grund, auf derart brutale Weise sterben zu müssen.«
»Stimmt.« Ruriks Blick glitt zu ihr. »Leider passiert es immer wieder.«
»Pass auf, dass dir so was nicht passiert.« Sie hörte aufbrandendes Gemurmel, blickte in sensationsgierige Gesichter und erkannte, dass sie die Stimme erhoben hatte.
»Meinst du, wir schaffen es gemeinsam, ihn rauszutragen?«, fragte
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