In den Armen der Nacht
Gedanken permanent um Ruriks Sicherheit.
Sie war eine Idiotin. Eine Vollidiotin.
Einen Wimpernschlag lang traf sein Blick auf ihren. Und ihr Herz tanzte.
Dann sagte er: » Miss Hunnicutt, ich brauche Sie hier draußen auf der Rampe, damit Sie meinem Team Anweisungen geben können, während ich anfange, das Grab zu öffnen …«
Blitzartig verwandelte sie sich wieder in die professionelle Journalistin. Wenn er entdeckte, worauf sie stark hoffte - nämlich einen Beweis für die Korruptheit und Kaltblütigkeit der Varinskis in den letzten tausend Jahren -, dann wollte sie dabei sein. Sie lächelte, eine geballte Ladung Charme, gemischt mit kühler Entschlossenheit, und antwortete: »Irrtum, Sie brauchen mich für weitere Fotoaufnahmen, während Sie das Grab erforschen. Deshalb bleibe ich bei Ihnen.«
4
R urik kniete sich vor die Graböffnung und begann, die Steinquader zu entfernen, die tausend Jahre niemand mehr angerührt hatte. Er hatte Mühe, sich auf seine Tätigkeit zu konzentrieren, denn Tasyas Anwesenheit lenkte ihn fortwährend ab. Er hörte das Surren ihrer Kamera, während sie ihre Dokumentation filmte. Lauschte ihrer Stimme, die Anmerkungen in ein kleines
Mikrofon murmelte. Fühlte die Glut ihres Körpers, als sie sich neben ihn kauerte, um eine Nahaufnahme von ihm zu machen.
Verdammt, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Er wollte nicht, dass sie noch länger hierblieb.
Seine wissenschaftliche Recherche hatte ergeben, dass Clovus der Enthaupter ein Massenmörder gewesen war - ein Kannibale, ein Killer, ein Krieger, der im Mittelalter eine Schneise der Verwüstung durch Europa geschlagen und sich an dem Leid seiner Opfer befriedigt hatte. Heutzutage nannte man solche Typen Psychopathen.
Der junge Archäologe tippte darauf, dass der Warlord keine Finte ausgelassen und seine letzte Ruhestatt mit Fallen präpariert hatte. Weil er in der Hölle schmorte und keine Verwendung für seinen irdischen Plunder fand, hatte Clovus bestimmt dafür gesorgt, dass sich auch kein anderer an der hier zusammengetragenen Beute erfreuen konnte.
Rurik hatte das Gefühl, auf einem Pulverfass zu sitzen, das jeden Moment explodieren konnte - und wenn er nicht aufpasste, war Tasya womöglich die Nächste, die in einem Sarg auf dem Altar aufgebahrt lag.
Andererseits arbeitete er gern mit ihr zusammen. Folglich würde er sie beschützen, komme, was da wolle. Und sie würde ihm dafür büßen, dass sie ihn versetzt hatte. Mit heißen Küssen, einem willigen Körper und betörender Leidenschaft, so lange, bis sie nicht mehr den Mumm hätte, ihn zu verlassen.
Während er die einzelnen Steine herausbrach und die Öffnung zu dem Totenschrein vergrößerte, konzentrierte
er sich gewissenhaft auf seine Tätigkeit und nicht auf das steinerne Bord mit der Schatztruhe.
Es juckte ihm in den Fingern, die Truhe schnöde herauszuzerren, Hardwicks Ungeduld hatte ihn jedoch gelehrt, sich in Geduld zu üben. Außerdem war ihm der Standort der Truhe suspekt - wieso stand sie an derart exponierter Stelle, dass jeder x-beliebige Grabräuber darübergestolpert wäre? Wieso war dahinter eine weitere Mauer, die das Innere der Gruft verbarg?
Die Truhe war mit einer dünn gehämmerten Goldschicht und einem Bronzeschloss versehen. Der lange Bronzeschlüssel schien zu signalisieren: Na los, dreh mich um, damit das Schloss aufschnappt. Die Schatztruhe war bestimmt präpariert, und Rurik zweifelte keine Sekunde lang daran, dass ihn weitere fatale Nettigkeiten erwarteten.
»Warte mal kurz, Rurik.« Tasya drehte sich um und drückte Ashley die Kamera in die Hand. »Geh wieder nach oben - aber sei vorsichtig! - und mach ein paar Sequenzen von dem Gesamtprojekt. Ich möchte Weitwinkelaufnahmen von den Wänden, der Rampe und von der Graböffnung.«
»Okay.« Ashley klang erleichtert, dass sie sich kurz verdrücken durfte - das Ganze schien ihr irgendwie nicht geheuer.
Als er den nächsten Stein abtastete, legte Tasya ihre Hand auf seine und raunte ihm ins Ohr: »Finger weg. Zieh den um Himmels willen nicht raus.«
Er drehte ruckartig den Kopf zu ihr und sah ihr in die Augen.
Ihre strahlend blaue Iris war mit einem Mal dunkel
verschattet; sie wusste etwas, wovon er nicht einmal etwas ahnte. »Es fühlt sich nicht richtig an. Tritt zurück und zieh ihn mit einem Stock oder einem Haken raus.«
Es fühlt sich nicht richtig an? Teufel, was soll das heißen?
» Weshalb sollte ich auf dich hören?« Weshalb sollte er die Warnung einer Frau beherzigen,
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