In den Armen des Eroberers
Richard und Gabriel holten Äxte aus dem Stall, Harry und Lucifer führten die Pferde fort und nahmen auch Charles' gemieteten Braunen mit.
»Laßt ihn an der Straße nach Cambridge laufen«, rief Devil ihnen nach.
Harry nickte. »Das erledige ich heute abend.«
Wenig später, als das Krachen von Axtschlägen die Lichtung erfüllte, ergriffen Devil und Vane je eine von Charles' Händen und schleiften die Leiche ins Waldhaus. Honoria folgte ihnen. Von der Schwelle aus sah sie zu, wie sie Charles auf die Pritsche betteten, auf der Tolly gestorben war.
»Sehr passend.« Vane wischte sich die Hände ab.
Honoria trat zurück – ein Holzsplitter sauste an ihrem Gesicht vorbei.
»Was zum …!« Richard, die Axt in der Hand, funkelte sie böse an, dann hob er den Kopf. »Devil!«
Er brauchte nicht zu erklären, was ihn beunruhigte. Devil tauchte auf und bedachte Honoria mit einem besorgten Blick. »Was zum Teufel tust du hier? Setz dich.« Er deutete auf den gefällten Baumstamm am Rande der Lichtung – den gleichen Stamm, auf den er sie ein halbes Jahr zuvor beordert hatte. »Da drüben – wo du uns nicht im Weg stehst und in Sicherheit bist.« In einem halben Jahr hatte sich viel verändert. Honoria gab nicht nach. Sie blickte an seinem bloßen Oberkörper vorbei und sah, wie Vane mit einem einzigen mächtigen Hieb einen altersschwachen Stuhl in Stücke hackte. »Was macht ihr mit den Möbeln?«
Devil seufzte. »Wir hacken alles kurz und klein, denn wir brauchen eine Menge Brennholz für Charles' Scheiterhaufen.«
»Aber …« Honoria trat einen Schritt zurück und betrachtete das ganz aus Holz gebaute Häuschen. »Ihr habt doch Holz genug – ihr braucht nicht Keenans Möbel zu verbrennen.«
»Honoria, die Möbel gehören mir.«
»Woher weißt du, daß er nicht inzwischen an ihnen hängt?«
Starrsinnig hielt sie seinem Blick stand.
Devil preßte die Lippen zusammen.
Honoria reckte das Kinn vor. »Es dauert keine zwei Minuten, sie nach draußen zu schaffen. Wir können die Decken darüberlegen, und Keenan holt sie sich später ab.«
Devil hob hilflos die Hände. »Schon gut, schon gut – aber wir müssen uns beeilen.«
Vane starrte ihn nur wortlos an, als Devil ihm den Sachverhalt erklärte. Er schüttelte den Kopf, widersprach aber nicht. Er und Devil trugen die schwereren Stücke hinaus, Honoria sammelte Kleinkram in Körbe und Eimer. Harry und Lucifer kamen zurück; Harry floh unter dem Vorwand, Devils und Vanes Pferde irgendwohin zu bringen, wo sie den Brandgeruch nicht witterten.
Der Haufen von Keenans Besitztümern wurde immer größer. Schließlich kam Harry, den Honoria am Kragen gepackt und zum Ausräumen des Stalls abkommandiert hatte, mit einem alten Öltuch und einer staubigen Laterne zurück. Er legte die Lampe auf den Haufen und deckte das Öltuch über das Ganze.
»So! Fertig.« Er sah Honoria an, nicht etwa herausfordernd oder verärgert, sondern hoffnungsvoll. »Jetzt kannst du dich setzen. Geh uns aus dem Weg.«
Bevor sie etwas entgegnen konnte, zog Lucifer den großen, geschnitzten Lehnstuhl unter dem Öltuch hervor, nahm das Polster heraus und schüttelte es auf. Unter krampfartigem Husten legte er es zurück und verbeugte sich galant. »Euer Thron, Madam. Bitte nehmt Platz.«
Was sollte sie da noch sagen?
Ihr kurzes Zögern war zuviel für Gabriel, der, die Axt in der Hand, zu seinem Bruder trat. »Um Gottes willen, Honoria, setz dich – bevor du uns alle in den Wahnsinn treibst.«
Honoria bedachte ihn mit einem hochmütigen Blick, drehte sich dann in wahrhaft königlicher Haltung um und nahm Platz. Die erleichterten Seufzer der Cynsters waren beinahe laut hörbar.
Danach beachteten sie sie nicht mehr, solange sie im Lehnstuhl sitzen blieb. Als sie aufstand, um ein paar Schritte zu laufen und ihre Beinmuskeln zu lockern, hagelten sogleich finstere Blicke auf sie herab – bis sie sich wieder setzte.
Schnell und geschickt rissen sie das Häuschen nieder. Honoria sah von ihrem Thron aus zu – der Anblick der braunen männlichen Oberkörper, schweißglänzend, mit prallen Muskeln, die sich unter der Arbeit mit Balken und Brettern strafften und wölbten, bescherte ihr eine überraschende Erkenntnis: Ihre Empfänglichkeit für diesen Anblick war stark eingeschränkt.
Lediglich die bloße Brust ihres Gatten bewirkte etwas in ihr – dieser übte immer noch Macht über sie aus, bescherte ihr einen trockenen Gaumen. Das war etwas, was sich in dem vergangenen halben Jahr nicht
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