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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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unterwegs waren, waren in jeder Hinsicht gleichgestellt. Als sich ein Matrose von der Handelsmarine über die Qualität eines Kuchens beschwerte, bewies ihm Scott, dass genau der gleiche Kuchen in der Offiziersmesse serviert worden war, und ließ den Beschwerdeführer wegen seines Gejammers bestrafen. Derselbe Mann war übrigens nicht nur mit der Küche vollkommen unzufrieden, sondern bekannt dafür, dass er sich auf Schlittenexkursionen aufrichtete und ausrief: »Stellt euch mal mich aus dem verdammten Poplar auf dem verdammten Schelfeis in einem verdammten Schlafsack vor – na danke!« 4
    In der Offiziersmesse gab es eine Vorschrift, der zufolge jedes Mitglied turnusgemäß als Vorsitzender fungieren, mit einem kleinen Holzhammer die Ordnung aufrechterhalten und über jeden, der fluchte oder um Geld spielte, als Strafe die »Ausgabe einer Runde Portwein« verhängen sollte. Shackleton wurde während einer Mahlzeit fünfmal bestraft, weil er darauf hatte wetten wollen, dass sich jemand geirrt hatte. 5
    Tagsüber gab es so viel zu erledigen, dass alle beschäftigt waren. Man musste sich um die Schlittenausrüstung kümmern; Schlafsäcke mussten genäht oder repariert werden, Zelte und Kocher waren zu überprüfen. Auch draußen gab es immer etwas zu tun – Graben und Reinigen, Löcher als Fischfallen in das Meereis bohren, die Wege zu und von den Hütten freiräumen, wo wissenschaftliche Beobachtungen durchgeführt wurden, und außerdem wurden ständig die Schäden ausgebessert, die die heftigen Winterstürme verursacht hatten. An den Abenden beschäftigten sich die Matrosen mit Holz schnitzereien, mit Netz- und Mattenherstellung und spielten Whist , Dame »und sogar Schach«, wie Scott von oben herab und offensichtlich erstaunt feststellte. Er hielt auch fest, dass ein großer Teil der Zeit mit »einem besonderen, aber einfachen Spiel namens Shove-ha’penny « vertändelt wurde. Die Offiziere beschränkten sich auf Schach und Bridge, und einmal pro Woche debattierten sie auf Bernacchis Vorschlag hin in der Offiziersmesse leidenschaftlich über solche Themen wie Frauenrechte oder die Vorzüge von Dichtern wie Browning oder Tennyson.
    Bücher über Reisen in die Arktis waren auf dem Mannschaftsdeck ebenso gefragt wie aufregende Geschichten. Doch Offiziere wie Mannschaft hatten auch etwas zu lesen, was an Ort und Stelle fabriziert war. Eines der köstlichsten Produkte des langen Winters war die von Shackleton herausgegebene South Polar Times . Offenkundig hatte er Spaß an dieser Aufgabe und brachte im Winter des Jahres 1902 fünf Ausgaben heraus, wobei er oft mit Wilson in Klausur ging, der mit seinen Zeichnungen die Schönheit und den Geist der polaren Landschaft einfing. Wilson steuerte auch schöne gefällige Skizzen bei – Weddellrobben, die Kaiserpinguine verfolgen, und ganze Trupps böse dreinblickender Schwertwale, die auf den Eisschollen auf Jagd gehen.
    Die beiden richteten in einem der Frachträume eine »Zeitungsredaktion« ein, und die Männer der Discovery – vom Mannschaftsdeck wie von der Offiziersmesse – reichten anonym oder unter einem nom de plume Material ein. »Fitz-Clarence« alias Michael Barne war erfreut, als er feststellte, dass man seine »Ode an einen Pinguin« für publikationswürdig gehalten hatte:
    O Kreatur, die du in südlichen Gewässern umherstreifst,
    Gern möchte ich etwas mehr über dich wissen.
    Obschon ich dich in deinem klaren Element gesehen habe,
    Glaube ich nicht, dich »Fisch« nennen zu können.
    Deinen Leib zu kosten habe ich nicht verschmäht,
    Von den zarten Fingern des Enthäuters frisch serviert,
    Schmeckte er wie Schuhleder, in Terpentin getaucht,
    Doch ich könnte ihn schwerlich »Fleisch« nennen.
    Die South Polar Times bot auch einen Vorwand für einige schreckliche Scherze und Wortspiele, und es gab sogar eine Sportseite. Doch weil die Zeitung nicht nur unterhalten, sondern auch erzieherisch wirken sollte, erschienen auch gelehrte Artikel des wissenschaftlichen Stabes. Die Zeitung förderte mit Sicherheit ein Gefühl der Kameradschaft und half der Moral über eine schwierige Zeit hinweg, wenn das Wetter die Männer stunden- oder gar tagelang ans Schiff fesselte und Sonnenschein nur eine ferne Erinnerung schien. Manchmal waren die Böen so heftig, dass die Männer spürten, wie das vom Eis eingeschlossene Schiff »nachgab« – ein unheimliches und verunsicherndes Gefühl.
    Die Zeitungsnummer, in der der Mittwintertag beschrieben wurde, war von beschwingten

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