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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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der Tasche zu irgendeinem fernen Seehundsloch auf, wo er beim flackernden Schein einer Laterne ganze Ketten von Thermometern versenkte. 8 Es war eine mühsame Arbeit in Eiseskälte, und Scott fragte sich, ob sie überhaupt von irgendeinem Nutzen sei.
    Koettlitz hatte mit wirklichen Krankheiten wenig zu tun, auch wenn er mit der Entfernung einer Zyste von Royds Wange die erste Operation in Antarktika durchführte. Messer, Kneifzangen und Scheren wurden in der Offiziersmesse zusammengetragen, und »Cutlets« lockte damit recht großes Publikum an, denn laut Bernacchi »wurde im allgemeinen mehr mit freudigem Interesse als mit Mitgefühl für das unglückliche Opfer reagiert«.
    Wilson war immer bei der Arbeit, kontrollierte, ob das Essen und die Milch zum Frühstück frisch waren, stellte meteorologische Beobachtungen an, leitete Teams von Präparatoren, schrieb seine zoologischen Notizen nieder und arbeitete natürlich auch seine Zeichnungen aus. Seine Technik bestand darin, mehrere Skizzen von verschiedenen Standorten anzufertigen und sie dann zu einem späteren Zeitpunkt auszumalen. Er hatte – in diesem Fall unnötigerweise – die Sorge, dass die Farben, die er für seine Zeichnungen verwendete, welche im grellen Schein einer Acetylenlampe oder bei flackerndem Kerzenlicht fertiggestellt werden mussten, bei Tageslicht merkwürdig aussehen würden.
    In dieser frühen Phase ihrer Beziehung schrieb Scott bereits mit aufrichtiger Herzlichkeit und Zuneigung über Wilson und entdeckte und schätzte die Eigenschaften, die sie im Laufe der Zeit noch enger aneinander binden sollten. Diese Qualitäten wurden auch von anderen anerkannt. Ford, einer der Stewards auf der Discovery , hinterließ uns ein einfühlsames Porträt von Wilson:
    »Dr. Wilson vereinigte in sich eine echte Männlichkeit mit einer bei Männern ungewöhnlichen Sanftheit des Charakters – von ständiger Rücksicht auf andere erfüllt, immer sensibel im Umgang mit ihren Eigenheiten, niemals grob wegen ihrer Schwächen. Obschon er selbst von seiner Veranlagung her nervös war, gab er immer ein Beispiel für die größte Courage; er war der tapferste und selbstloseste Mann, den ich je gekannt habe.« 9
    Mut und Uneigennützigkeit gehörten zu den wichtigsten Voraussetzungen für Leute, die lange Schlittenreisen überstehen mussten. Scott bemerkte, dass die Exkursionen mit dem Schlitten Menschen näher zueinander führten als irgendeine andere Lebensweise. Er schrieb: »Hier muss Betrug rasch ans Licht kommen, aber auch der wahre Mann tritt in seiner ganzen natürlichen Stärke ans Licht.« Als er während der Wintermonate über Berechnungen von Gewichten und Maßen nachgedacht und alles über Polarreisen gelesen hatte, was er finden konnte (wie er selbst bemerkte, hatte er nicht viele Bücher über das Thema mitgenommen), hatte Scott auch überlegt, wer ihn nach der Wiederkehr des Tageslichts nach Süden begleiten sollte.
    Ursprünglich hatte er erwogen, Barne mitzunehmen, entschied sich aber anders, weil Barnes Hände sich noch nicht ganz von Erfrierungen erholt hatten. Nach intensiverem Nachdenken glaubte er, dass Wilson am besten geeignet sei, die geistigen und körperlichen Anstrengungen einer solchen Reise auszuhalten. Obwohl er körperlich nicht der Kräftigste war, würde seine Erfahrung in der Medizin von ebenso unschätzbarem Wert sein wie sein Intellekt und seine Fähigkeit zu arbeiten. Noch wichtiger als das war, dass Scott wusste, einen angenehmen Kameraden in einem Mann zu finden, der, wie er selbst, im Grunde zurückhaltend und empfindlich war. Deshalb wandte sich Scott am 12. Juni an Wilson. Er rief ihn in seine Kajüte, legte ihm seine Pläne für die Schlittenreisen im Sommer dar und erörterte praktische Details wie Gewichte und Rationen. Dann kam die Überraschung. Er wollte, dass Wilson ihn auf der Reise nach Süden zum Pol begleitete. Er wollte auch wissen, ob er Wilsons Meinung nach einen Dritten mitnehmen sollte. Nansen war in der Arktis der Effizienz und Einfachheit halber mit nur einem Begleiter, Johansen, unterwegs gewesen. Er schlug vor, ebenso zu verfahren.
    Wilson war erstaunt und erfreut. Doch er empfahl Scott dringend, einen dritten Mann mitzunehmen. Was würde passieren, wenn ein Mann krank wurde oder einen Unfall erlitt? Der andere würde niemals imstande sein, allein damit fertig zu werden, und wahrscheinlich würden beide umkommen. Scott erkannte darin einen gesunden Menschenverstand und änderte seine Meinung. Da er über

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