In den eisigen Tod
Hinsicht für seine Gefährlichkeit berüchtigt war, blieb er von Malaria und allen anderen ernsthaften Krankheiten verschont. Seine einzige Sorge war, dass er sein Gewicht nicht auf weniger als 76 Kilogramm herunterdrücken konnte, was er für seine Körpergröße von 1,63 Meter zu schwer fand. Allerdings war er enorm fit und prahlte damit, dass er mehr Energie habe, als er brauche. Er war zwar klein, aber entschlossen zu beweisen, dass er stark war.
Birdies Erfahrungen in Burma bestätigten ihn in seinen imperialistischen Auffassungen. Mit den fremdenfeindlichen und religiösen Vorurteilen seiner Zeit behaftet, glaubte er, sein Land habe »dem Kuli Frieden, Linderung von Hungersnöten, Schutz und ein gewisses Glück gratis dazu gegeben«, und er liebte Großbritannien zutiefst:
»Ich liebe mein Land und vertraue darauf, dass ich nicht fehlen werde, wenn der Tag des Handelns kommt. Dieses liebe alte Land – ich frage mich, ob auch nur ein Bruchteil seiner Bewohner seinen Wert zu schätzen weiß oder ob es einer Bewährung langer Abwesenheiten bedarf, um einem zu beweisen, dass diese kleine Insel – unter allen Bedingungen des Wetters oder aller anderen Dinge – der beste, der allerbeste Ort auf Gottes Erde ist.« 13
Die Deutschen hielt er für »Wurstmaschinen«, und die Franzosen tat er als »Froggies« ab – »die ausschweifendsten, putz- und vergnügungssüchtigsten Wesen, die jemals nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden« und die beim Jüngsten Gericht »ihre hoffnungslos windigen Luftschlösser und Hoffnungen endlich zerschmettert« sehen würden. Auch wenn er das Leben in Burma genoss, dachte er immer wieder an den Süden. Im Laufe seiner Karriere passierte er einmal mehrere Längengrade am südlichen Polarkreis: »Ich habe gedacht – wie ich damals dachte –, dass das mein Ziel! ist, der südliche Erdteil. Seit der Lektüre von Kapitän Scotts beiden Bänden über die Expedition der Discovery bin ich Feuer und Flamme. Vielleicht bekomme ich später einmal eine Gelegenheit.« 14 Er las eifrig die Zeitungsberichte über die Abreise von Shackletons Expedition. Als seine Schwester ihn wegen solch tollkühner und dünkelhafter Bestrebungen kritisierte, tadelte er sie so, wie es für einen Mann seiner Zeit typisch war: »Wie kann irgend jemand aufgrund einer Vermutung behaupten, es würde für die Menschheit nicht von Nutzen sein, nach Norden oder Süden, zum Pol vorzudringen?... Ist es etwa, abgesehen von dem ganzen Interesse im Hinblick auf erdmagnetische und meteorologische Phänomene, für eine Nation nichts, Männer hervorzubringen, die bereit sind, Entbehrungen und Not auf sich zu nehmen, ohne selbst praktisch irgendeinen Gewinn davon zu haben?« 15
Doch vorläufig musste Bowers sich damit begnügen, Schmuggler im Persischen Golf zu verfolgen und dabei mit raffinierten Bluffs und Gegenbluffs zu arbeiten. Doch wieder hatte auch das Glück seine Hand im Spiel. Er lernte Sir Clements Markham kennen, der ihn für die Expedition empfahl. Die Folge war, dass Birdie ohne Vorstellungsgespräch einen Posten erhielt. Da er unter Tausenden von Bewerbern ausgewählt worden war, hatte er das Gefühl, das Schicksal habe dabei eine Rolle gespielt. Er schrieb seiner Mutter: »Ich werde die Arbeit eines Mannes tun, die nur ein starker Mann tun kann.« 16
Bowers’ Vorurteile in bezug auf Rasse und Religion waren theoretischer Art, und in persönlicher Hinsicht erwies er sich allen gegenüber als freundlich und rücksichtsvoll. Seine Zuverlässigkeit, seine sorgfältige Planung, seine Fröhlichkeit und sein unerschöpflicher Arbeitseifer machten schon bald tiefen Eindruck auf seine neuen Kameraden. Teddy Evans beschrieb einen Vorfall, der rasch Legende wurde:
»Bowers kam von der Indian Marine, um seine Pflichten als für die Vorräte [auf dem Expeditionsschiff] zuständiger Offizier zu übernehmen, und fiel prompt von der großen Luke auf den Roheisenballast. Ich habe den Unfall nicht selbst miterlebt, aber als Campbell die Angelegenheit meldete, hat man mir berichtet, er habe gesagt: ›So ein blöder Kerl!‹ Das mag wahr gewesen sein, denn den ganzen Weg von Bombay hierher zu uns zu kommen und dann gleich von der Luke herunterzufallen, schien etwas leichtsinnig. Doch als Campbell hinzufügte, dass Bowers sich nicht verletzt hatte, kehrte meine Begeisterung zurück, und ich sagte: ›Was für ein großartiger Bursche!‹ Bowers fiel fast sechs Meter in die Tiefe, ohne sich im geringsten zu verletzen. Das war
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