Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
Vom Netzwerk:
Kriegsberichten. Sein linker Oberschenkel war von einer Kugel zerschmettert worden, aber er hielt achteinhalb Stunden lang die Stellung, bis eine Rettungsmannschaft bei ihm eintraf. Dem Sanitätsoffizier zufolge gab er keinen Laut von sich, obwohl er große Schmerzen gehabt haben musste, denn der Knochen hatte sich durch seine Haut gebohrt. 4 Es dauerte Monate, bis Oates sich erholte, und seine Mutter bestand darauf, dass er einen Spezialisten aufsuchte. Dessen Urteil lautete, dass das verwundete Bein zweieinhalb Zentimeter kürzer als das andere bleiben und er immer hinken würde. Tatsächlich verursachte ihm die Verletzung unablässig Probleme, was er mit seinem üblichen Stoizismus überspielte.
    Oates verbrachte die Jahre nach dem Burenkrieg damit, seiner Leidenschaft für die einzigen Dinge zu frönen, die seiner Meinung nach das Leben erträglich machten – Pferde und die Jagd. Seine Militärlaufbahn führte ihn nach Irland, das Traumland jedes Jägers, und dann nach Ägypten, wo er – mit nicht allzu großem Erfolg – Polo spielte und den Versuchungen des süßen Lebens vollkommen aus dem Weg ging, und schließlich weiter nach Indien, wo er sich seiner Hundemeute widmete. Doch hinter all diesen Aktivitäten verbarg sich eine Rastlosigkeit und der Wunsch, sich ein Ziel zu setzen. Hier erinnert manches an Scotts eigene agnostische Besorgtheit: »Wozu soll das alles gut sein?« Oates spielte mit dem Gedanken, aus der Armee auszuscheiden, denn er war verärgert über das, was er für die Ineffizienz und Dummheit anderer hielt, und frustriert wegen des langsamen Vorankommens. Er hatte auch das Gefühl, dass ihm das Leben nicht genügend Herausforderungen bot und dass die Antarktisforschung besser zu ihm passen würde, als in Indien unverdrossen weiterzumachen.
    Im Januar 1910 schrieb Oates an seine Mutter, und zwar vom Militärhospital in Delhi aus, wo er sich nach dem Verzehr einer Dose mit verdorbenem Fisch erholte:
    »Jetzt muss ich ein großes Geständnis ablegen. Ich habe der Antarktisexpedition, die im Sommer unter Scott in England starten wird, meine Dienste angeboten. Sie haben mir geschrieben und gesagt, ich solle meine Zeugnisse einreichen, und das habe ich gemacht, und sie scheinen so schmeichelhaft gewesen zu sein, dass ich praktisch angenommen wurde. Jetzt weiß ich nicht, ob Du das billigst oder nicht, aber ich glaube, ich hätte Dich vor meiner Bewerbung fragen sollen. Das habe ich nicht getan, weil ich dachte, dass die Chance, angenommen zu werden, sehr gering sei (denn Kavallerieoffiziere werden im allgemeinen nicht für so spektakuläres Zeug angestellt) ... Scott scheint jedoch ein Mann zu sein, der sich entscheiden kann, und nachdem er sich entschieden hatte, teilte er mir das sofort mit, und das war der erste Hinweis für mich, dass ich wahrscheinlich fahren würde.«
    Was Oates tatsächlich angeboten hatte, waren 1000 Pfund für die Expeditionskasse und seine kostenlosen Dienste. Mit naiver Untertreibung fügte er hinzu: »Das Klima ist sehr gesund, wenn es auch eher zur Kälte neigt.« Er war nicht nur wegen Caroline Oates’ Reaktion besorgt, sondern auch darüber, »einen anständigen Burschen« zu finden, der seine Hunde übernehmen würde. Er hoffte, dass sie nicht an »irgendeinen einheimischen Fürsten« gehen müssten, denn »sie können den Anblick eines Schwarzen nicht ertragen«. 5
    Das Kriegsministerium stimmte der Entlassung Oates’ zu, und nachdem sich Oates lange stur gestellt hatte, wurde sie auch von seinem Regiment gebilligt. Teddy Evans’ Schilderung des jungen Mannes bei seiner Vorstellung spielt auf seinen Charme und seine Exzentrizität an:
    »Wir hatten mit einem schick aufgeputzten jungen Kavallerieoffizier gerechnet... Unser künftiger Gefährte erschien mit einer Melone, die er sich typischerweise in den Nacken geschoben hatte, und mit einem stark abgetragenen ›Aquascutum‹, der bis oben zugeknöpft war und seinen Kragen verdeckte, und er zeigte ein starkes, glatt rasiertes, Wetter gegerbtes Gesicht mit freundlichen braunen Augen, die etwas von seiner feinen Persönlichkeit verrieten. ›Ich bin Oates‹, sagte er.« 6
    Er sollte sich um die Ponys kümmern, die Scott törichterweise trotz Shackletons nicht hundertprozentig positiven Erfahrungen zum Haupttransportmittel machen wollte. Es war allerdings eine Entscheidung, die seinen großen Rivalen verblüffte. Amundsen schrieb später: »Wir hatten gehört, dass Scott, der sich auf seine eigene Erfahrung und

Weitere Kostenlose Bücher