In den eisigen Tod
Kommandeurs und die verantwortungsvolle Aufgabe an, bei der Auswahl der Offiziere und der Mannschaften behilflich zu sein. In den vor ihnen liegenden Monaten, und besonders nach ihrer Ankunft in Antarktika, begann Scott, ihm zu misstrauen, vielleicht weil er in Evans einen weiteren Rivalen wie Shackleton witterte. Auch andere Expeditionsteilnehmer bezweifelten Teddy Evans’ Kompetenz in Angelegenheiten, die nicht die Marine betrafen. Seine Anstellung brachte Scott zudem in ernsthafte Verlegenheit, denn er hatte die Position des stellvertretenden Kommandeurs bereits Reginald Skelton, der auf der ersten Reise so tüchtig gewesen war und Scott auch bei der Entwicklung der Motorschlitten geholfen hatte, so gut wie versprochen.
Die Nachricht von der Expedition lockte über 8000 hoffnungsfrohe Freiwillige an. Zu ihnen gehörte Rittmeister Oates, der mit seiner Selbstaufopferung auf der Rückkehr vom Pol die öffentliche Phantasie als perfekte Verkörperung der Werte seiner Zeit beflügeln sollte. Der ganze Rummel wäre diesem Pferdenarren und Kavallerieoffizier aus der Oberschicht, der von seinen Kameraden »Titus« genannt wurde, peinlich gewesen. Er war ein stiller Mann mit klaren Auffassungen von Pflicht und Ehre, aber er war nicht der phantasielose, konventionelle Vertreter seiner Kaste, als der er manchmal hingestellt wird. Er war gewiss zurückhaltend, aber diejenigen, die er gern hatte, empfanden seine Gesellschaft als angenehm und mochten seinen trockenen, englischen Humor. Wie Scott hatte er eine sehr enge Bindung an seine Mutter. Caroline Oates war eine starke Persönlichkeit, die ihn – was aus Sicht eines Psychologen recht bedenklich ist – jahrelang »Baby Boy« nannte, obwohl sie nach ihm noch einen weiteren Sohn zur Welt brachte. Sie war eine wohlhabende und großherzige Frau, aber darauf bedacht, Oates’ Finanzen und damit alles, was er tat, während seines ganzen Erwachsenenlebens unter Kontrolle zu halten.
Wie Wilson war Oates ein zartes Kind gewesen. Einmal befürchtete Caroline, er könne an Tuberkulose erkrankt sein, und nahm ihn eine Zeitlang mit nach Südafrika. Doch er wurde mit der Zeit robuster, und in Eton zeichnete er sich eher als Sportler denn als lernbegieriger Schüler aus. Er wurde ein guter Mittelgewichtsboxer, doch seine Laufbahn in Eton wurde durch eine schwere Lungenentzündung beendet, und er schloss seine Schulzeit in einer Paukschule ab, die darauf spezialisiert war, Jungen auf die Militärprüfungen vorzubereiten.
Oates wollte sein Offizierspatent über den Umweg eines Studiums in Oxford erhalten, aber die Aufnahmeprüfungen erwiesen sich als zu schwierig für ihn. Ihm fehlte es wohl eher an Fleiß als an Intelligenz, und die Jagd lag ihm viel mehr als die Gelehrsamkeit. In einem Satz von ihm ist alles zusammengefasst: »Prüfungen langweilen mich so sehr«. 2 Man kann fast das Gähnen eines jungen Mannes hören, der nicht einsehen konnte, welchen Sinn Stegreifübersetzungen aus dem Griechischen haben sollten. Er hatte auch keine Zeit oder Begabung für die Mathematik, wie Scott später feststellte: »Ich hatte beabsichtigt, Oates mit der Kontrolle der Kalkulation für die Futtereinkäufe zu beauftragen, aber Zahlenreihen, wie einfach auch immer sie dargestellt sein mögen, überfordern ihn.« 3 Auch seine Rechtschreibung war fehlerhaft, und er litt höchstwahrscheinlich unter Legasthenie.
Im Jahr 1900, auf dem Höhepunkt des Burenkriegs, wurde Oates zu seiner großen Freude in das 6. Inniskilling-Dragonerregiment aufgenommen. Aus seiner damaligen Korrespondenz spricht seine Liebe zu schönen Pferden, und sie enthält wortreiche Bitten an seine Mutter um Geld, damit er sich gute Pferde kaufen konnte. Aber sein vordringlicher Ehrgeiz war, mit seinem Regiment nach Südafrika zu ziehen und im Burenkrieg zu kämpfen. Er war besorgt, dass dieser enden könne, ehe er seine Chance bekommen hätte, Ruhm zu erwerben, aber im November 1900 war er bereits auf dem Weg. Seine Jugend und Unerfahrenheit hinderten ihn nicht daran, seine Kommandanten so sehr zu kritisieren, wie er eines Tages Scott kritisieren sollte.
In Südafrika geriet Oates mit seiner 15 Mann starken Patrouille endlich in ein Gefecht. Von den zahlenmäßig überlegenen Buren umzingelt, weigerte er sich zu kapitulieren, und es gelang ihm, die meisten seiner Männer in Sicherheit zu bringen; damit verdiente er sich den Namen »Never-say-die-Oates« und aufgrund seiner bemerkenswerten Tapferkeit eine Erwähnung in den
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