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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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gerade nicht hinschaute, vom Kellner versehentlich in mein Glas gegossen wurde. Bei dem Streit ging es nicht darum, wer dafür bezahlen sollte, sondern wer nicht dafür bezahlen sollte, und schließlich, als sich beide weigerten, den Sherry zu bezahlen, und der alte Kellner sagte, wenn sie nicht zahlten, müsse ich es tun, sagten sie, er könne sie mal! ... Der Abend war wirklich eine der entsetzlichsten Strafen dafür, dass man Mitglied einer solchen öffentlichen Expedition ist. In der ganzen Sache gab es überhaupt nichts Versöhnliches.«
    Wilson war unduldsam gegen »weiße Wracks, die sich in der Trägheit und in dem Schmutz ... degenerierter Kaffern suhlen, mit denen sie auf einer Stufe stehen«. Er war zwar von großer Menschlichkeit, aber eben auch ein Kind seiner Zeit.
    Wilson sehnte sich nach der Einfachheit des Lebens an Bord der Terra Nova , nach den Bechern Kakao, die er sich bei Sonnenaufgang mit einem Kameraden teilte, nach der Nähe zur Natur, wenn er dasaß und auf dem Deck zeichnete, und nach der »glücklichen Familie«. Er war daher enttäuscht, als Scott ihn mit einem Postdampfer nach Melbourne vorausschickte, wo er den Geologen der Expedition, Raymond Priestley, rekrutieren und die Bundesregierung überreden sollte, etwas springen zu lassen. Da Scott mit der Terra Nova weiterfahren sollte, erhielt Wilson auch den Auftrag, sich um Kathleen Scott zu kümmern – eine unbeschreiblich schwierige Aufgabe angesichts ihrer einander diametral entgegengesetzten Lebensauffassungen, aber glücklicherweise war sie nicht seefest (das behauptete sie zumindest), und sie sahen wenig voneinander. Hilda Evans und Oriana fuhren ebenfalls mit ihm. Kathleen fand die anderen Frauen anstrengend. Warum, so fragte sie sich, konnte die Welt nicht von Männern und Babys bevölkert sein, aber sie räumte ein: »Mein Hass auf Frauen wird zur Monomanie und muss gezügelt werden.« Kathleen war überhaupt eine Frau mit dezidierten Ansichten. (So schrieb sie einmal über Winston Churchill, dass er wirklich ein Genie sein mochte, dies aber gut zu kaschieren verstehe.) Jetzt scheint sie den heiligmäßigen Wilson ein bisschen langweilig und etwas geckenhaft gefunden zu haben. Sie bedrängte ihn sicherlich, sie mit dem Postboot auf schwerer See zur Terra Nova hinauszubringen, während das Schiff sich Melbourne näherte, nur damit sie wieder bei Scott sein konnte. Obwohl Wilson wütend auf sie gewesen war, schrieb sie: »Die Erleichterung darüber, zu vernünftigen Menschen zurückzukehren, die mich verstehen, war größer, als man es beschreiben kann.«
    Teddy Evans war sehr enttäuscht, dass er das Kommando über die Terra Nova für die Reise nach Melbourne an Scott abgeben musste, und interpretierte dies als Kritik an seiner Person. Doch Scott wollte selbst die Gelegenheit nutzen und erreichen, dass seine Leute ihn kennenlernten. Er beabsichtigte auch, die Männer auszuwählen, die in der Antarktis in Gruppen an Land gehen würden. Obschon die Atmosphäre weniger überschwenglich war als unter Teddy Evans, betrachtete Scott die gute Laune seines jungen Teams mit Wohlwollen. Der Physiker Charles Wright beschrieb es so: »Der Owner hat einen Durst auf wissenschaftliche Erkenntnisse, der nicht gestillt werden kann. Er macht bei den Blödeleien nicht mit – sieht ihnen aber immer grinsend zu.« 6 Auch Gran hinterließ ein interessantes Porträt: »In Norwegen lernte ich Scott als fröhlichen und unkomplizierten Mann kennen, und dieser erste Eindruck wurde bestätigt, als ich ihm wieder begegnete. Er war aufbrausend, und wenn er in Wut geriet, war mit ihm nicht zu spaßen, aber wenn er jemanden ungerecht beurteilt hatte und seinen Fehler bemerkte, beeilte er sich, ihn wiedergut zumachen.« Er sollte etwas von Scotts Ungeduld auch am eigenen Leib zu spüren bekommen, denn Scott begann, den selbstsicheren Norweger für einen faulen, wichtigtuerischen Kerl und einen Drückeberger zu halten.
    Doch Scott hatte bald andere Sorgen. Als er am 12. Oktober in Melbourne anlegte, erhielt er Amundsens berühmtes lakonisches Telegramm aus Madeira: »Fahre nach Süden, Amundsen.« Diese Kehrtwendung war für Scott, Norwegen und die übrige Welt eine völlige Überraschung. Amundsen hatte sich Nansens Fram (mittlerweile im Besitz des norwegischen Staates) ausgeliehen und eine Expedition mit dem Ziel der Erforschung des Nördlichen Polarbeckens auf die Beine gestellt. Doch wie Amundsen in der Folge zugab, warf Peary mit seiner Behauptung, den

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