In den Haenden des Eroberers
wandte sich erneut dem Bischof zu.
Dieser ging nicht auf den Vorfall ein. „Es gibt da noch eine weitere, ernstere Anschuldigung gegen Euch, Lord Giles“, sagte er stattdessen.
„Und zwar?“, fragte Giles. Er sah, wie es kurz in Eudes’ Augen aufglomm, und das bereitete ihm ein mulmiges Gefühl.
„Es heißt“, fuhr Obert fort, „Ihr habet einen von König Harolds Söhnen gefangen genommen, ihn dann aber laufen lassen.“
Triumphierend lachte Sir Eudes auf. Giles schwieg. Er hatte schon geargwöhnt, dass Edmund nicht nur Lord Bertrams Verwalter oder Soldat gewesen war, sondern Lord Bertrams Lehnsherr – aber die Wahrheit hatte er im Traum nicht geahnt.
Hatte Fayth etwa …? Doch die Frage erübrigte sich. Natürlich hatte sie es gewusst. Sie hatte um Edmunds Leben gefleht, und er war so närrisch gewesen, den Mann gehen zu lassen.
„Holt Lady Fayth“, wies der Bischof seine Männer an, woraufhin zwei von Williams Soldaten vortraten. Roger rührte sich nicht, bis Giles ihn mit einer Geste anwies, der Aufforderung Folge zu leisten, und Roger mit den Soldaten verschwand.
Giles und der Bischof warteten, und das Schweigen zwischen ihnen wurde beklemmend. Giles fragte sich, ob Fayth zugeben würde, von Edmunds Herkunft gewusst zu haben. Würde sie einräumen, an der Verschwörung beteiligt gewesen zu sein? Er hätte Edmund töten lassen, wenn er um dessen wahre Identität gewusst hätte. Es hatte Gerüchte gegeben, denen zufolge Edmund mit einem weiteren von Harolds Söhnen der Schlacht bei Hastings schon früh entkommen und nach Westen geflohen war, um von dort aus den Widerstand anzuführen oder auch Edgar Ætheling in seinem Thronanspruch zu unterstützen.
Edmund war hier gewesen – innerhalb dieser Mauern! Giles hatte ihn schon in seinem Griff gehabt, nur um ihn wieder laufen zu lassen, weil er den Verlockungen einer Frau erlegen war.
In seinem Kopf pochte es schmerzhaft. Er schritt zur Tafel und goss sich einen Becher Bier ein. Sein Magen hob sich gefährlich, doch Geräusche aus Richtung Treppe lenkten ihn ab.
„Lord Giles, bitte erlaubt, dass ich das regele“, wandte sich Bischof Obert an ihn. „Und Sir Eudes – ich werde Euch hinauswerfen lassen, wenn Ihr Euch nicht zu beherrschen wisst.“ Die Männer des Herzogs sammelten sich im Rücken des normannischen Ritters, bereit, ihn auf ein Wort des Bischofs hin zu ergreifen.
Giles schaffte es nicht, Fayth in die Augen zu sehen, als sie an ihm vorbei zum Bischof schritt. Er spürte ihre Angst, und er wusste, dass diese berechtigt war, denn ihr Handeln würde nun vom normannischen Standpunkt aus betrachtet werden, und ihre Stellung als angelsächsische Lady half ihr dabei wenig.
„Fayth of Taerford“, begann der Bischof mit ernster Stimme, „ich verlange, dass Ihr meine Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Stimmt es, dass der Mann, den Ihr zu ehelichen beabsichtiget, als Lord Giles …“
Fayth unterbrach ihn mitten im Satz. „Euer Exzellenz, wenn ich erklären dürfte“, sagte sie. „Ich würde mich vorher nur gerne kurz mit meinem Gemahl besprechen …“
Giles aber gebot ihr zu schweigen, aus Angst, sie könnte aus Versehen weitere Geheimnisse preisgeben. „Er ist Edmund Haroldson, nicht wahr?“, fragte er leise. „Der Thronerbe des verstorbenen Earl of Wessex, des selbst ernannten Königs von England, richtig?“ Er kannte die Antwort bereits.
Fayth ließ den Blick unruhig durch die Halle wandern, bevor sie Giles in die Augen sah. „Ja, Mylord.“
Merde , verdammt!
„Aber lasst mich erklären, Mylord“, fuhr sie sogleich fort und trat zu ihm. Auf Giles’ Nicken hin ergriff Roger sie und zog sie zurück. Bischof Obert wies an, Fayth wieder in ihre Gemächer zu bringen.
„Da muss doch streng durchgegriffen werden, nicht wahr, Euer Exzellenz?“, krähte Sir Eudes. „Das Weib hat gelogen und muss bestraft werden. Sie hat Williams Erzfeind Unterschlupf gewährt und ist dem Herzog dadurch in den Rücken gefallen. Dieser Mann dort“, er wies auf Giles, „ist viel zu sehr damit beschäftigt, die Hure zu bespringen, als dass er in dieser Angelegenheit die richtigen Entscheidungen treffen könnte, und daher …“
Eudes sah die Faust nicht, bis sie ihm, wie Giles am Geräusch berstender Knochen hörte, die Nase und möglicherweise auch gleich den Kiefer brach. Es war Musik in seinen Ohren.
„Ja, so kann man es auch regeln“, kommentierte der Bischof trocken. Er sah auf den Mann hinab, der nun bewusstlos und
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