In den Klauen des Tigers
auf ihre Tretmühlen schwangen.
Die Zeisigs winkten ihnen nach.
Klößchen renkte sich fast den Arm aus, so heftig erwiderte er.
Als der Hügelkamm hinter ihnen lag,
sagte Karl: „Wie ihr sicherlich wißt, gehört Napur zu der Gattung der Panthera
tigris, laienhaft auch Tiger genannt. Diese Großkatzen bewohnten in elf
Unterarten Vorder- und Hinterindien bis nach Korea, die Mandschurei und
Mongolei sowie Sibirien. Auch Sumatra und Bali. Der sibirische Tiger erreicht
eine Rumpflänge — also ohne Schwanz — bis zu drei Metern. Auch der Bengalische
oder Königstiger ist sehr groß, wie wir gesehen haben. Napurs Geburtsland wäre —
hätte man ihn in Freiheit zur Welt gebracht — Vorderindien. Normalerweise
schreckt der Tiger vor den Menschen zurück, hat eine angeborene Scheu vor uns.
Und die Schauergeschichten, die über ihn als blutgierige Bestie in Umlauf sind,
treffen nicht zu. Am liebsten jagt er Wildschweine, Kleinhirsche, Affen,
Frösche und sogar Fische. Er...“
„Und Spanferkel!“ warf Klößchen ein.
„Unterbrich mich nicht mit deinen
unsachlichen Bemerkungen“, wies Karl ihn zurecht. „Ist ja schließlich nicht
ohne Bedeutung, wenn du erfährst, daß Napur einer der letzten seiner Art ist.“
„Wieso?“ fragte Klößchen.
„Weil die Tiger vom Aussterben bedroht
sind — wie viele andere Tierarten auch. Vor 60 Jahren gab es noch über 100.000
— weltweit. Aber gelangweilte Maharadschars, englische Kolonialherren und
amerikanische Dollarmillionäre haben sie gejagt. Ohne Risiko, auf sicherem
Rücken des Jagdelefanten hockend, haben sie diese herrlichen Katzen abgeknallt.
Übriggeblieben sind — ihr werdet es nicht glauben — 4.000! Inzwischen werden
die Tiger geschützt und in Nationalparks gehegt. Trotzdem gibt es immer noch
Wilderer, die nach den Fellen jagen. Für Pelzmäntel. Oder für Bettvorleger — wie
sie noch vor nicht allzu langer Zeit von deutschen Kaufhäusern in ganzseitigen
Inseraten angeboten wurden: 14.000 Mark das Stück. Man kann als ausgestorben
betrachten — weil es nur noch jeweils zehn oder 20 Exemplare gibt —: den
Kasparischen Tiger, den Chinesischen Tiger, den Sumatra-Tiger, den Java-Tiger,
den Bali-Tiger. Nur bei dem Bengal- oder Königstiger und dem Indochina-Tiger
ist eine Rettung noch möglich.“
„Hoffentlich haben die Bemühungen
Erfolg“, sagte Tarzan. „Aber nach deiner Schilderung sind Tiger die reinsten
Schmusekätzchen. Dabei weiß ich, daß sie durchaus auch zu Menschenfressern
werden können.“
„Das stimmt“, räumte Karl ein. „Alte
Tiger, die als Jäger nicht mehr so flink sind, können sich zum Man Eater (Menschenfresser) entwickeln. Das gleiche gilt, wenn ein Tiger angegriffen, gereizt oder
verwundet wird. Dann wird er zum schrecklichsten Gegner.“
Sie fuhren gemächlich. Sie hatten ja
Zeit. In der Ferne tauchte die Silhouette (Schattenriß) der Stadt auf.
Mit ihren Wahrzeichen, den Kirchtürmen und Hochhäusern.
Na also! Tarzan lächelte vor sich hin.
War Karl, der Computer, seinen Vortrag doch noch losgeworden!
„Wenn Napur erstmal im Zoo ist“, sagte
Klößchen und zeigte mal wieder sein goldiges Herz, „sollten wir ihn regelmäßig
besuchen. Aber nicht mit leeren Händen. Jeweils zu Pfingsten — und zu
Weihnachten, natürlich — müssen wir ihm ein Spanferkel spendieren.“
„Gute Idee!“ lobte Tarzan. „Ich bin
dabei. Mit finanzieller Beteiligung, meine ich.“
„Ich auch!“ sagte Karl.
3. Zwei Verbrecher entkommen
Der Tag versprach, sonnig zu werden,
aber der frühe Morgen war noch kühl. Tau lag auf den Gräsern. Klare Luft füllte
die wolkenlose Himmelskuppel.
Weit vor der Stadt, wo es um diese Zeit
sehr ruhig zuging, kreuzen sich zwei Landstraßen. Allee-Bäume grenzen ab zu den
Feldern. Dahinter ist der Waldrand. Dunst waberte zwischen den Bäumen. In
seinem Schutz wagten sich Rehe auf die Wiese zur Äsung.
Dicht bei der Kreuzung glänzte die
Fahrbahn fettig und dunkel. Ausgelaufenes Öl machte den Boden glatt wie eine
Curling-Bahn (Eisschießen).
Welches Fahrzeug das Öl während der
Nacht oder im Morgengrauen verloren hatte, konnte später nicht festgestellt
werden. Und war auch ohne Bedeutung, denn über verschüttete Milch braucht man
nicht mehr zu reden. Was auch für Öl gilt. Fest stand jedenfalls, daß es sich
nicht um eine Falle, sondern um einen unglücklichen Zufall handelte.
Zwei Fahrzeuge näherten sich der
Kreuzung aus verschiedenen Richtungen.
Der schwere Lastwagen
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