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In den Klauen des Tigers

In den Klauen des Tigers

Titel: In den Klauen des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Schneider saß am
Lenkrad. Sein Kollege Zieseler biß gerade in sein Frühstücksbrot. Den Kaffee
aus der Thermosflasche hatte er schon getrunken. Aber als Morgenmuffel, was
angeboren war, fühlte er sich immer noch dösig.
    Beide waren erfahrene Beamte, und Transporte
wie dieser gehörten zu ihrer Routine (Fertigkeit). Sie trugen
Dienstpistolen, und in Zieselers Uniformjacke steckten die Schlüssel, mit denen
die Handschellen der Häftlinge sich öffnen ließen.
    Ein kleines Fenster — aus schlagfestem
Glas und zusätzlich vergittert — verband den Transportraum mit der
Fahrerkabine.
    Ab und zu drehte Zieseler sich um, um
nach den beiden zu sehen.
    Jetzt gähnte er.
    „Immer noch müde?“ fragte Schneider.
    „Ab neun bin ich ansprechbar.“
    „Entschuldige, daß ich rede“, lachte
Schneider.
    „Wird ein schöner Tag.“
    „Für uns bestimmt. Für die beiden
weniger.“
    Sie fuhren jetzt zwischen den
Allee-Bäumen.
    Noch 100 Meter bis zur ölverschmierten
Kreuzung.
    „Der rast wie ein Verrückter!“ sagte
Schneider.
    „Wer?“ Zieseler hatte für einen Moment
die Augen geschlossen.
    Sein Kollege deutete nach vorn.
    Wagners schwerer Laster kam ihnen
entgegen. Er fuhr zu schnell, befand sich aber — wie auch der
Gefangenentransporter — auf der Vorfahrtsstraße. Nach rechts und nach links, wo
die kreuzende Straße verlief, war freie Sicht, nichts und niemand zu sehen.
Kein Grund also für Wagner, das Tempo zu mindern.
    Mitten auf der Kreuzung begegneten sich
die Fahrzeuge. Normalerweise wären sie aneinander vorbeigefahren. Daß die
Kreuzung schmal war — das allein hätte keine gefährliche Situation geschaffen.
    Aber da war die große Öllache. Sie
reichte von Rand zu Rand. Im Schatten der Chaussee-Bäume fiel sie kaum auf, war
nur aus der Nähe zu erkennen.
    Wagner sah sie in letzter Sekunde. Er
erschrak. Instinktiv trat sein Fuß auf die Bremse. Eine falsche Reaktion!
    Plötzlich schien das tonnenschwere
Fahrzeug sich selbständig zu machen. Es schlitterte und brach nach links aus.
Wagner schrie auf. Er sah noch die entsetzten Gesichter der beiden
Justizbeamten hinter der Windschutzscheibe — dann geschah das Unglück.
    Im spitzen Winkel stieß die gewaltige
Motorhaube des Lasters gegen den grünen Transporter. Er wurde an der Seite
getroffen. Stahlblech kreischte, verformte sich, riß auf. Die Wucht des
Zusammenstoßes warf den Transporter aus der Bahn. Auch seine Vorderräder
gerieten jetzt auf die Öllache. Schneider versuchte gegenzulenken, aber es war
zu spät.
    Mit kaum verminderter Geschwindigkeit
raste der Transporter in den Chaussee-Graben. Und stürzte um.
    Im selben Moment stieß der Speditionslaster
frontal gegen einen Allee-Baum, knickte ihn, rutschte mit dem linken Vorderrad
in den Graben und kam endlich zum Stillstand. Der Motor soff ab.
    Wagner war mit der Stirn gegen den
Rahmen der Windschutzscheibe geprallt. Halb bewußtlos hing er über dem Lenkrad.
Blut lief aus einer zentimeterlangen Platzwunde.
    Der Gefangenentransporter lag auf der
rechten Seite. Der Motor war verstummt. Blech knisterte. Das linke Vorderrad
drehte sich sinnlos in der Luft. Zusammenstoß und Aufprall hatten die Hecktür aufgesprengt.
Das Sicherheitsschloß war geborsten.
    Hardtke hatte einen fürchterlichen Ruck
verspürt. Er war hinausgeschleudert worden, aber weich auf fauligem Laub und
feuchter Erde gelandet. Trotz gefesselter Hände hatte er sich nichts verstaucht
oder geprellt.
    Benommen richtete er sich auf.
    „Mann!“ Fensel torkelte gebückt aus dem
Kastenraum, trampelte über eine der Türhälften und hob die gefesselten Hände. „Georg!
Ein Wunder! Wir sind frei.“
    „Frei?“ Hardtke stand auf. „Du blutest
im Gesicht.“
    „Was? Na und? Wen interessiert das? Ist
nur ’ne Schramme! Kapierst du nicht? Wir können abhauen. Ein herrlicher Unfall!
Das ist unsere Chance!“
    Hardtke blickte zur Fahrerkabine. „Und
die beiden Bullen?“ fragte er gedämpft.
    Auch Fensel wandte den Kopf.
    Vorn rührte sich nichts.
    „Wir brauchen die Schlüssel für die
Handschellen“, zischte Fensel.
    Sie liefen nach vorn. Es gab keine
Windschutzscheibe mehr. Samt Rahmen und in einem Stück hatte sie sich „verabschiedet“.
Sie war aufs Feld gesegelt, lag dort und fing Strahlen der Morgensonne ein.
    Schneider und Zieseler lagen
übereinander auf der Sitzbank der Fahrerkabine. Beide waren bewußtlos. Zieseler
hatte Schnittwunden im Gesicht. Schneider stöhnte leise. Sein rechter Arm war
gebrochen, wie sich

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