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In den Ruinen von Paris

In den Ruinen von Paris

Titel: In den Ruinen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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des Hopis erntete, dann stieg sie hinter Jean in den Sattel des umgebauten Motorrads. »Halten Sie sich fest«, sagte Jean. »Es könnte ein bißchen holpern.« Er startete den Motor. In dem engen, leeren Eisenrohr klang das Dröhnen der Maschine noch lauter, als es eigentlich war, und Charity mußte sich im ersten Moment beherrschen, um nicht erschrocken die Hände vor die Ohren zu schlagen. »Fertig?« schrie Jean über das Brüllen des Motors hinweg, wobei er nervös am Gasgriff spielte und die Maschine immer wieder aufheulen ließ, als ob das Ding nicht schon genug Lärm machte. »Fertig«, antwortete Charity. In der nächsten Sekunde klammerte sie sich mit aller Kraft um seine Hüfte und kämpfte verzweifelt darum, nicht einfach rücklings von der Maschine heruntergeschleudert zu werden, denn der junge Franzose gab rücksichtslos Gas: Die Maschine machte einen gewaltigen Satz nach vorn und raste wie ein Geschoß durch die Pipeline. »Nicht so schnell!« brüllte Charity über das Kreischen des überdrehten Motors hinweg. Tatsächlich nahm Jean ein wenig Gas weg und schaltete in einen höheren Gang, so daß das Dröhnen der Maschine nicht mehr ganz so ohrenbetäubend war. »Fahren Sie nicht so schnell, Jean«, schrie Charity noch einmal. »Ich bitte Sie! Ich möchte lebend bei Ihren Leuten ankommen.« Jean grinste sie über die Schulter hinweg voll jugendlicher Fröhlichkeit an. »Wir müssen so schnell fahren!« schrie er zurück.  »Aber warum denn?« brüllte Charity. »Es spielt doch gar keine Rolle, ob wir eine Minute eher oder später ... « Ein großer grauer Schatten huschte an ihnen vorüber, so schnell, daß Charity nicht einmal erkennen konnte, was es war, aber dem ersten Schemen folgte ein zweiter, dritter, und schließlich eine ganze Horde grauer, zottiger Körper. Instinktiv klammerte sie sich fester an Jean und sagte nichts mehr, als er erneut Gas gab und das Pibike noch mehr beschleunigte. Das Muster aus schwarzen und roten Flecken an den Wänden der Pipeline wurde zu einem Mahlstrom aus Farben und Bewegung, der an ihnen vorüberjagte wie Sturmwolken in einem zu schnell ablaufenden Film. Und immer wieder huschten diese grauen Körper vorbei: große, zottige Wesen mit glitzernden Augen und Krallen, die wie kleine Messer über den Stahl kratzten und manchmal nach ihnen zu schlagen versuchten, sie aber nicht erreichten, denn Jean entwickelte eine erstaunliche Geschicklichkeit darin, ihnen auszuweichen. Charity fragte sich, wie er die Tiere bei dieser Geschwindigkeit rechtzeitig erkennen konnte - sie selbst nahm nichts als verschwommene Farben und Formen wahr. Schließlich wurde das Fahrzeug langsamer. Sie rasten noch immer mit sicherlich sechzig oder siebzig Meilen durch den Tunnel, aber nach dem, was sie gerade erlebt hatte, kam Charity diese Geschwindigkeit fast wie eine Erholung vor. »Was war das?« fragte sie. »Ratten«, antwortete Jean, ohne sich zu ihr herumzudrehen. Charity schauderte. Wenn das Ratten gewesen waren ... einige der Bestien mußten so groß wie ausgewachsene Schäferhunde gewesen sein! Allmählich konnte Charity ihre Umgebung erkennen. Die Pipeline war nicht überall so unbeschädigt wie auf dem Stück, das sie bis jetzt zurückgelegt hatten. Zwei- oder dreimal passierten sie gewaltige Löcher, die offenbar gewaltsam in den Tunnel hineingeschlagen worden waren. Und einmal sahen sie eine Stelle, an der die Decke eingebrochen war, so daß sie sich tief über den Sattel der Maschine beugen mußten, um überhaupt hindurchzukommen. Und schließlich bemerkten sie Licht. Zuerst war es nur ein Funke in der Finsternis vor ihnen, der aber rasch zu einem Kreis von rötlicher Helligkeit wurde. Jean verlangsamte das Tempo nochmals, und Charity sah, wie er den Scheinwerfer mehrmals aufblendete; vermutlich, um irgend jemandem ein Zeichen zu geben. Plötzlich endete der Eisentunnel, und das sonderbare Gefährt rollte in einen gewaltigen, kreisrunden Dom aus rostigem Stahl. Es begann zu wanken und kippte schließlich träge zur rechten Seite, vom Gewicht der riesigen Ausleger aus der Balance gebracht. Charity klammerte sich instinktiv fester an Jean. Trotzdem wurde sie fast aus dem Sattel geschleudert, als die beiden rechten seitlichen Räder mit einem harten Ruck auf dem Boden aufsetzten. Jean trat hart auf die Bremse, schaltete den Motor aus und drehte sich grinsend zu ihr um. »Alles in Ordnung?« fragte er fröhlich. Charity zog eine Grimasse. »Ja«, knurrte sie.

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