In Den Schatten Lauert Der Tod -1-
Schwung seiner Kinnlinie anzustarren. Die Kratzer und Blutergüsse in seinem Gesicht verheilten langsam. Sie wollte jeden einzelnen von ihnen küssen.
»Wie es scheint, ziehst du um«, sagte er.
Seine Stimme war völlig neutral. Erin konnte nichts zwischen den Zeilen heraushören.
»Ja«, bestätigte sie. »Ich bringe den Großteil meiner Sachen auf Moms Speicher unter und nehme nur ein paar Koffer mit.«
»Wohin gehst du?«
Sie übernahm seinen nüchternen Tonfall. »Nach Portland, zumindest für den Anfang. Eine Freundin von mir lebt dort in einer WG. Ich habe mir überlegt, als Aushilfskraft zu arbeiten, während ich meine Bewerbungen durch die Gegend schicke und abwarte, wer anbeißt. Ein Tapetenwechsel. Es wird Spaß machen, wieder mit Freundinnen zusammenzuwohnen.«
»Ein Tapetenwechsel«, echote er.
»Ja, es wird Zeit dafür«, meinte sie stockend. »Ich muss meine Karriere in Schwung bringen. Cindy und Mom kommen inzwischen gut allein zurecht, deshalb habe ich jetzt den Rücken frei, um … um …«
»Um zu gehen«, vollendete er. »Zum Glück bin ich heute vorbeigekommen, sonst hätte ich dich vielleicht verpasst.«
»Aber nein«, sagte sie hastig. »Ich hätte dich vor meiner Abreise angerufen.«
»Um Auf Wiedersehen zu sagen.« Connors Stimme war hart.
Er parkte den Wagen vor einem weißen zweistöckigen Haus mit einer breiten Veranda, die von Rosenbüschen und Hortensien umgeben war.
»Wo sind wir?«, fragte sie.
Er sah sie eine Weile wortlos an. »Vor meinem Haus.«
Ihr Blick huschte zur Seite. »Oh. Es ist … sehr hübsch.«
»Komm mit rein.«
Sie folgte ihm auf dem Weg über den saftigen Rasen zum Haus und sah sich dabei verstohlen um.
Das Innere war schlicht und blitzsauber. Spärlich, aber in warmen Farben möbliert. Parkettböden, ein rostfarbener Teppich vor einer blauen Couch. Ein offener Kamin. Einige sorgsam arrangierte Bilder an den Wänden, die meisten davon landschaftliche Kohlezeichnungen.
»Komm mit in die Küche«, lud er sie ein. »Deine Mutter sagte, dass du noch nichts gegessen hast. Soll ich dir eine Kleinigkeit machen?«
»Nein, danke.«
»Dann wenigstens etwas zu trinken? Ich habe kaltes Bier im Kühlschrank. Oder Eistee.«
»Ein Bier wäre klasse.«
Connor nahm zwei Flaschen heraus. Er schnippte die Kronkorken mit seinem Schlüsselanhänger auf, holte Erin ein Glas vom Wandbord und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Zum ersten Mal konnte sie über ihre eigene Angst hinwegsehen, und sie bemerkte, dass sein Gesicht angespannt war.
Er setzte sich ihr gegenüber. »Warum hast du mich nicht angerufen, Erin?«
Schwer und gewichtig hing die Frage zwischen ihnen. Sie schenkte sich ein Glas Bier ein, starrte hinein und gestand ihm die ungeschminkte Wahrheit. »Ich fühlte mich zu schlecht. Weil ich dir nicht geglaubt habe.«
»Deswegen musst du dich nicht schlecht fühlen. Ich hätte mir selbst nicht geglaubt. Niemand hätte das getan. Es war so bizarr, dass ich es selbst kaum fassen konnte.«
Erin schüttelte den Kopf. »All diese Gewalt und Verderbtheit, dieser Hass. Ich fühlte mich so … klein. Wie ein zertretenes Insekt.«
»Deine Mutter sagte, dass du nicht schlafen kannst. Hast du Albträume?«
Sie nickte.
»Sie werden vorbeigehen«, versprach er. »Du bist sehr stark.«
Die stille Erkenntnis trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie versuchte zu antworten, aber die Worte verhedderten sich zu einem brennenden Knoten in ihrer Kehle.
»Weißt du, wie ich es am Ende herausgefunden habe?«, fragte er.
Erin kramte nach ihren Taschentüchern und gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen weiterzusprechen.
»Ich bin in die Klinik gefahren. Sean hat Tonia dort gesehen, als ich im Koma lag. Ich bin der Sache nachgegangen. Die einzige Tonia Vasquez, die je dort gearbeitet hat, ist über sechzig und seit Jahren in Rente.«
»Oh, ich verstehe«, flüsterte sie.
»Aber das war noch nicht alles. Sie haben mir die Besucherlisten gezeigt.«
Erin legte die Hände vors Gesicht und wappnete sich.
»Ich habe deinen Namen dort gesehen, Erin. Du bist an jedem Tag, den ich im Koma lag, zu mir gekommen.«
Sie linste ihn durch ihre Finger hindurch an und versuchte zu lächeln. »Mist!«, sagte sie leise. »Ertappt.«
Er erwiderte ihr Lächeln nicht, sondern wartete schweigend.
Erin ließ die Hände sinken. »Ich habe irgendwo gehört, dass es Komapatienten manchmal hilft, wenn man mit ihnen spricht, ihnen vorsingt oder vorliest«, erklärte sie. »Ich kann nicht singen,
Weitere Kostenlose Bücher