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In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

Titel: In den Spiegeln - Teil 3 - Aion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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ich es ganz genau.
    »Roman«, hauchte ich leise aus. »Was machst du hier?«
    Er sah so anders aus. Seine Wangen waren eingefallen, und ich erkannte kaum etwas an ihm wieder, außer den funkelnden, dunklen Augen. Entlang seiner Unterarme sah ich runde Flecken, die geradezu bläulich und rötlich glühten.
    Roman schluckte einige Male schwer und öffnete schließlich die Lippen.
    »Du hast mich gefunden...«
    Ich erschrak bei dem Klang seiner Stimme. Es war, als gehörte sie jemandem, der dreißig Jahre älter war. Ich suchte vergeblich nach der Schönheit, die ich ihm manchmal geneidet hatte. Als wir noch Jungs waren.
    Er schien meine Gedanken zu erraten.
    »Endlich siehst du... besser aus als ich«, sagte er leise und hüstelte bei dem Versuch, über seinen eigenen Witz zu lachen.
    »Ich... Ich habe einen Engel gesehen«, flüsterte er und schluckte wieder schwer.
    Ich blickte mich um und sah neben dem Bett eine Karaffe und ein Glas. Ich goss hastig Wasser ein und beugte mich über Roman. Ich musste seinen Kopf anheben und das Glas an seine Lippen halten. Er fühlte sich leicht an. Wie ausgetrocknet. Er nahm einige Schlucke, und während ich seinen Kopf vorsichtig zurücklegte, blickte er erschöpft zur Decke.
    »Er sagte etwas zu mir«, fuhr mein Bruder nach einigen Augenblicken fort und sah mich wieder an. »Schäme dich niemals für deine Male.«
    Ich schwieg und beobachtete ihn. Für einen Moment dachte ich, er löse sich wieder in Nichts auf, bis ich begriff, dass sich meine Augen mit Tränen füllten.
    Seine Hand berührte mein Handgelenk.
    »Ich dachte, es dauert Jahre...«, erwiderte ich. »Es gibt doch bereits Behandlungsmethoden... Wieso...«
    »Klar...«, röchelte Roman. »Hier im Emergency Room ...«
    Ich sah mich um und erkannte, dass wir uns nicht in einem Krankenhaus befanden, sondern in einem schäbigen Hotelzimmer.
    Ein kitschiges Bild hing über Romans Bett und zeigte den Sonnenuntergang über einem tropischen Hafen.
    Ich blickte die Sarkome entlang seiner Arme an. Sie sahen aus wie riesige Brandflecken in einem Teppich.
    »Ich war nicht da, Mann...«, murmelte ich mit weinerlicher Stimme. »Ich habe dich immer nur im Stich gelassen.«
    »Schschsch...« Ich spürte, wie sich der Druck seiner Hand verstärkte. »Ich hätte dich nur in den Abgrund gezogen, so wie ich jeden in den Abgrund gezogen habe.«
    »Das kann ich selber ganz gut«, erwiderte ich und wischte mir die Tränen aus den Augen.
    »Ich wollte, dass man sich an mich erinnert«, flüsterte Roman mit brüchiger Stimme. »Ich wollte... Ich wollte Anerkennung. Ich wollte mich am Leben erfreuen.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe und sah verlegen zur Seite.
    Er schwieg. Ich sah stumme Tränen aus seinen Augenwinkeln laufen.
    »Aber jetzt ist alles anders«, flüsterte ich. »Du bist nicht allein.«
    »Es ist alles eine Lüge«, flüsterte Roman undeutlich. Seine Worte schienen sich in seiner Kehle zu verlieren. »Unsere Familie. Das Leben. Die Krankheit.«
    Ich spürte den schwachen und doch bemühten Druck seiner kalten Hand und beobachtete, wie langsam das berühmte Licht in seinen Augen, von dem unsere Eltern so viel schwärmten, erlosch. Jenes nicht greifbare Zittern in seinem Blick verwandelte sich in starre, hohle Dunkelheit. Er war weg.
    Ich weiß nicht, wie lange ich dort gesessen habe. Doch als Roman vor meinen Augen langsam entschwand und meine Hände leer auf dem schmutzigen Bett ruhten, wusste ich, dass es vorüber war. Wie betäubt stand ich auf, tat einige Schritte rückwärts, bis ich die Wand des Zimmers in meinem Rücken fühlte. Dann rutschte ich langsam zu Boden und verbarg mein Gesicht.
    Über das Linoleum des Hotelzimmers lief eine große, schamlos schimmernde Kakerlake.

3.04 An Michaels Hof
     
    Noch immer benebelt und orientierungslos trat ich aus dem dunklen Schutz des Hauseingangs hinaus auf die Straße. Nur zweihundert Meter trennten mich von dem weißen Tempel. In meine Gedanken versunken machte ich mich auf den Weg. Im Gehen ballte ich meine Fäuste und murmelte sinnloses Zeug.
    Durch meinen Kopf schossen Bilder. Ich sah, wie sich mein Vater mit Roman stritt und wie meine Eltern oft leise miteinander sprachen und dabei mit gerunzelter Stirn zu mir sahen. Es fühlte sich an, als würde das alles zu einem vergangenen Leben gehören. Und in gewisser Weise tat es das auch. Roman war nun nicht mehr da. Es war offensichtlich, dass das Jenseits mir hier keine Fabeln vorspielte, sondern ein Stück des Diesseits

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