In den Städten, in den Tempeln
ich ihm vielleicht irgendeinen Anlaß geboten?!
Als er aufschaute, sah er Yama Jambavat aus dem Gang kommen und die Terrasse betreten. Er nickte Clay zu, trat jedoch zuerst zu dem noch ziemlich außer Atem befindlichen Wissenschaftler, um ihn zu begrüßen.
Der Sozialkoordinator trug eine ähnliche schwarze Robe wie Oishi und die Ribeau. Offenbar war das Kleidungsstück tatsächlich ein Bestandteil des Zeremoniells.
Wenn ich bloß schon wieder auf der Erde wäre! dachte Clay. Doch als er tief in sein Innerstes lauschte, bemerkte er, daß sein Wunsch keiner wirklichen Sehnsucht entsprach, keinem Heimweh, sondern nur dem Druck der aktuellen Situation. Seine allzu euphorische Stimmung über die Kühnheit seiner Entscheidung, die Selbstbespiegelung im Glanz seiner verwegenen Kurzentschlossenheit, seine Selbstgefälligkeit angesichts der Reaktionen auf seinen für ihn so ungewöhnlichen Entschluß – das alles war jetzt verflogen. Geblieben war nur dumpfe Beklommenheit. Ich will gar nicht unbedingt zurück zur Erde, sann er. Ich würde alles dafür geben, wäre diese Sache vorbei. Das ist es, sonst nichts. Grauen vor dem Unbekannten flüsterte ihm Wunschvorstellungen von Rückzug und Entweichen ein. Aber wenn es eine Flucht gab, dann ausschließlich nach vorn.
»Wie lange noch, Tasche?«
»Achtzehn Minuten und vierunddreißig Sekunden, Comptroller. Möchten Sie ein psychopharmazeutisches Präparat? Ein Neuroleptikum? Ein Tranquilsedativ? Oder ein Antidepressivum? Ich könnte Ihnen auch eine breitspektrale Psychoplegika-Kombination synthetisieren.«
»Nein, danke.«
Jambavat kam herüber. »Die Vorbereitungen gehen planmäßig vor sich, Comptroller«, sagte er freundlich. »Ihre Kontrahenten haben sehr energisch protestiert und verschiedene Verzögerungstaktiken versucht, aber ich habe mich auf nichts dergleichen eingelassen.«
»Ich bin informiert. Wie hat die venusische Öffentlichkeit die Neuigkeit aufgenommen?«
»Im allgemeinen herrscht eine abwartende Haltung vor. Ich habe allerdings den Eindruck, daß man eher zu einer positiven Aufnahme neigt. Vermutlich resultiert sie aus dem Überraschungseffekt. Anscheinend hat man Ihnen soviel resolute Einsatzbereitschaft nicht zugetraut.«
Clay stieß ein Brummen aus. »Bei uns auf der Erde ist man auf ...« Er verstummte, als aus dem Gang ein unförmiger Schatten fiel. Im nächsten Augenblick schwebte de Herbignac in seinem energetischen Stützkorsett um die Ecke. Seine purpurne Tempelrobe war an mehreren Stellen schweißdurchtränkt, und auf seinem feisten Gesicht schwamm der Schweiß in einem glitschigen Film, aus dem sich unablässig Tropfen lösten und von Kinn und Wamme auf die Brust troffen. Seine behäbige Arroganz hatte sich verflüchtigt. Er glich in seiner gesamten Erscheinung einem aufgedunsenen Inbegriff hoffnungsloser Furchtsamkeit.
Wenige Schritte hinter ihm folgte de Fumure. Ohne sein Pultmobil, auf eigenen Beinen, erweckte er einen unbedeutenden Eindruck, als habe man es mit dem mittelschlecht bezahlten Computerkontoristen einer Unsicheren Fabrik in der Tiefstadt von Metrocago zu tun. In seiner schwarzen Rüschenbluse und dem silbergrauen Anzug wirkte er selbst auf Clay recht konservativ. Doch es fehlte seiner knorrig-knotigen, stämmigen Gestalt keineswegs an bulliger Dreistheit, als er auf ihn und den Sozialkoordinator zustapfte und Jambavat einen Zeigefinger stark gekrümmt vor die Nase hielt.
»Sie werden Ihr skandalöses Verhalten bereuen, Koordinator«, sagte er mit nasaler Stimme. »Nicht nur ich, auch andere Persönlichkeiten der venusischen Finanzwirtschaft erblicken darin mehr als eine Entgleisung, wir halten das für einen besonders feindseligen Akt und den bisherigen Höhepunkt der dirigistischen Repressalien, die von Ihrer Bürokratenkaste ausgeübt werden. Wenn diese alberne, völlig sinnlose Farce« – er lächelte verächtlich – »ausgestanden ist, werden Sie und Ihre Freghel-Schergen sich ernsten Konsequenzen ausgesetzt sehen. So was werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, das dürfen Sie mir glauben. Wir fordern Freiheit, und wir haben auf der Erde einflußreiche Freunde, deren Unterstützung uns sicher ist.«
Yama Jambavat nahm die Drohungen unbeschwert zur Kenntnis. »Ihre Ausführungen stoßen bei mir auf höchstes Interesse, Mr. de Fumure«, versicherte er treuherzig. »Sie könnten in allen Lokationen kein offeneres Ohr dafür finden. Die Tragweite, die ich ihnen beimesse, mögen Sie daran erkennen, daß ich sie
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