Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
Vom Netzwerk:
zu bereiten, nur wird unsererseits nicht jede Methode als gleich zweckmäßig erachtet.« Ihre Stimme klang nach mühsam gemeisterter Heftigkeit und Leidenschaft.
    Oishi musterte sie für einen langen Moment aus seinen wachen, klugen, nicht im mindesten greisenhaften Äuglein, dann richtete er den Blick langsam auf Clay. »Die Sprache der Liebe wählt bisweilen seltsame Worte, Mr. Dalmistro«, sagte er kauzig. »Man sieht ihren Sanftmut des öfteren im Fell des Stachelschweins wandeln.« In den Augenwinkeln bemerkte Clay, daß die Venusierin errötete, bis ihr Gesicht die Färbung der untergehenden Sonne annahm. Während er verstohlen grinste, beneidete er Oishi um seine Schlagfertigkeit. »Die gütige Besorgnis des ehrenwerten Sozialkoordinators, eines Mannes von großer Weisheit und innerer Festigkeit, und der verehrten Sphärenschwimmerin, einer in allen Lokationen willkommenen und geschätzten Dame von der Schönheit einer Hibiskusblüte, beruht nach meinem Verständnis weniger auf klarer Überlegung als auf überaus starkem Interesse an der Sicherheit Ihrer hochwürdigen Person, Comptroller.« Der Professor wandte sich an die Ribeau. »Diese Vorbehalte lassen außer acht, daß die ersten Siedler auf diesem Planeten die irdische Mentalität selbst noch nicht überwunden hatten. Dennoch ist es in keinem Fall zu so etwas wie einer summarischen Sankt-Damokles-Justiz gekommen. Gestatten Sie mir, mit entsprechenden historischen Belegen aufzuwarten.«
    Professor Oishi hob die linke Hand, an deren Mittelfinger Clay schon vor einer Weile eine lange Klaue aus ziseliertem Gold aufgefallen war; nun berührte der Wissenschaftler mit dem Daumen einen Sensor am unteren Innenrand der Hülse, und aus der Spitze der Kralle waberte wie eine Seifenblase ein kugelförmiges Projektionsfeld von einem halben Meter Durchmesser empor. Oishi nannte einen Code, und reihenweise begannen Personendaten und biografische Angaben über das Feld zu wandern.
    »Dieser Mann«, kommentierte der Professor, »hatte auf der Erde zahllose Betrügereien begangen und viele Menschen ins Elend gestürzt, ehe er in fortgeschrittenem Alter, seines Treibens überdrüssig, zur Venus auswanderte. Trotzdem entschied Sankt Damokles gegen seinen Kontrahenten, der ihn durch Datenmelkerei um alles brachte, was er sich innerhalb vieler Jahre aufgebaut hatte.«
    »Tz-tz«, machte Clay und schüttelte irritiert den Kopf.
    »Diese Frau«, erläuterte Oishi den nächsten Fall, »beging auf der Erde mehrere heimtückische Giftmorde – jenes besonders arglistige Verbrechen, das sich des Mittels der Lebenserhaltung bedient, um den Tod zu bringen –, entzog sich der Strafverfolgung jedoch durch die Flucht zur Venus.« Clay sah das Holobild einer schmächtigen Blondine, die wirkte, als könne sie keiner Fliege ein Härchen krümmen. Vermutlich konnte sie es auch nicht. »Hier geriet sie an einen ehemaligen, abgewirtschafteten Klötenpink, der sie drogenabhängig machte und in jeder Weise bis zum äußersten ausnutzte. Sie war längst ein völlig zerrüttetes, nahezu entmenschtes Wesen, als sie schließlich in der SDJ ihre letzte Rettung erblickte. Trotz allem hat Sankt Damokles gegen ihren Kontrahenten entschieden.«
    »Hm-hm-hmmm.«
    »Zehn Jahre hatte dieser hochkarätige Übeltäter bereits in einer Straffabrik zugebracht«, erklärte der Wissenschaftler zum folgenden Holobild, das die derben, speckigen Gesichtszüge eines gealterten Glatzkopfs zeigte, »als man ihn wegen tüchtigen Arbeitseinsatzes begnadigte und er sich einer Siedlergruppe anschloß, um im Schoße der Venus ein neues Leben anzufangen. Auf einer subvenusischen Baustelle versuchte ein Kollege, vorsätzlich einen tödlichen Unfall herbeizuführen, um sich seine Kreditkarte anzueignen. Er konnte ihm nichts beweisen, aber Sankt Damokles hat seinen Kontrahenten verurteilt.«
    Spontan fiel Marita Ribeau dem Professor um den Hals. Clay riß die Augen auf, als sie den mindestens zwei Köpfe kleineren Forscher zwischen ihren Brüsten fast erstickte. »Sie haben mir einen Stein von der Seele gewälzt, Professorchen«, jauchzte sie, »der bestimmt so schwer wie Sankt Damokles selbst wog!«
    Verärgert und erbittert wandte sich Clay ab. Dieser alte Klugscheißer, dachte er verdrossen. Es ist ihm um mehr gegangen, als mich nur zu beruhigen. Er wollte mir zeigen, was für ein mieser Typ ich bin ... auf einer Stufe mit Gaunern, Giftmischerinnen und dergleichen Figuren. Verdammte venusische Doppelbödigkeit! Und habe

Weitere Kostenlose Bücher