In der Fremdenlegion (German Edition)
der Sand begann. Weite wellige Linien: zerklüftete Felsen; schweigende Einsamkeit: Sand und Sonne.
Auf dem winzig kleinen Bahnhof von Sidi-bel-Abbès wimmelte es von Uniformen, und an der primitiven Perronsperre stand eine Unteroffizierspatrouille, die sich die paar Passanten scharf ansah und mit argwöhnischen Blicken wachte, ob nicht ein Legionär darunter sei, der sich den gelben Staub von Sidi-bel-Abbès von den Füßen schütteln wollte.
Wir marschierten nach der Kaserne. Die Legionärsstadt machte einen Eindruck auf das Geruchsempfinden, der in seiner Eigentümlichkeit selbst einem so Vielgereisten wie mir etwas Neues war.
Ein süßlicher Geruch hing dumpf und schwer über den Straßen, merkwürdig auf die Nerven fallend, zusammengesetzt aus Tausenden von Dingen – süß wie blühender Jasmin und doch dumpf wie Moder, häßlich und doch aufreizend auf die Sinne.
Dem Auge fiel vor allem das grelle Gelb auf. Gelb war die Sonnenluft, gelb waren die alten Festungsmauern, die vor vielen, vielen Jahren von Fremdenlegionären gebaut worden waren, gelb der sandige Straßenstaub. Grell wie alles, nur dann und wann von dem Stückchen Grün eines Gartens belebt, lag das Gelände um die Stadt da; in fahleren Tönen ragten im Hintergrunde die Felsen des Thessalagebirges empor. Und als wollten sich die Menschen von Sidi-bel-Abbès der Natur in Mimikry anpassen, hatten sie ihre Häuser auch noch gelb angestrichen!
Durch Palmenhaine und Olivengärten marschierten wir. Ein Omnibus ratterte vorbei, dicht bepackt mit weißbeburnußten Arabern. Irgendwo im Hintergrunde glänzte das Minaret einer schneeweißen Moschee, und hoch oben am Turm auf kleinem Balkon stand ein arabischer Priester, dessen wallender weißer Burnus sich scharf gegen den Himmel abhob.
Dann kam eine merkwürdige Ueberraschung. An einer uralten, halbverfallenen Mauer, an der wir vorbeimarschierten, wurde eben ein neues Plakat angeschlagen. Als sich der schreiend rote Reklamezettel mit den dicken gelben Lettern entfaltete, lasen wir: Prochaine semaine: »La Retraite«, par Franz Adam Beyerlein ...
Ein Theater in Sidi-bel-Abbès, der Stadt der Fremdenlegion! Und dieses Theater spielt Beyerlein's »Zapfenstreich«! Die Mauer und das Plakat verkörperten mir in jenem Moment die Bosheit der leblosen Dinge.
Aber schließlich mußte ich lachen über die Komik des Zufalls, die den Zapfenstreich ausgerechnet nach der Stadt der Fremdenlegion brachte! Was die Sidi-bel-Abbèser Schauspieler wohl für Spottgeburten deutscher Uniformen aufgetrieben haben mögen ...
An alten Festungsmauern ging es vorbei, die das ganze Städtchen umsäumen. Sie stammten noch aus jenen Zeiten, als die Garnison von Sidi-bel-Abbès jeden Augenblick darauf gefaßt sein mußte, sich gegen die Beni Amer verteidigen zu müssen. Dann kam eine breite, saubere Straße. Auf beiden Seiten lagen riesige Kasernengebäude, die Reiterkaserne der Spahis und, in einem gewaltigen Gebäudeviereck, die Kaserne der Fremdenlegion.
Durch ein kleines Pförtchen in dem riesigen vergitterten Tor marschierten wir im Gänsemarsch auf den Kasernenhof. Die Soldaten der Wache, die auf einer langen Bank am Tor sahen, grinsten uns stumpfsinnig an, und ihr Sergeant, eine Zigarette zwischen den Zähnen, die Hände in den Hosentaschen, betrachtete uns mit einem unendlich hochmütigen Gesichtsausdruck, so wie ein Viehtreiber ein Stück Vieh taxieren mag.
» Pas bon! « rief er seinem uns eskortierenden Kameraden lakonisch zu – »nicht gut!«
Das war die Begrüßung. Ich starrte auf die weite, kiesbestreute, peinlich saubere Fläche des Hofes, auf die kahlen Fronten der Kasernen und kam mir wie ein Narr vor, der in ein Narrenhaus eingesperrt werden soll. Mir war, als sei ich in gedankenlosem Wandeln vom Wege abgekommen und mit einem Male in einen Morast geraten. In einen häßlichen Sumpf. Zwischen diesen Mauern sollte ich leben? Unter diesen uniformierten Maschinen hausen! Nicht mehr denken – nicht mehr fühlen! Wie eine Wüste kam mir die ungeheure Fläche vor ...
Ueberall in den Kasernen wurden Fenster aufgerissen, und Legionäre steckten die Köpfe heraus, schreiend und johlend:
»Eh – les bleus! Bon jour les bleus!«
Von allen Seiten kamen die Legionäre gerannt und riefen sich zu: Les bleus! – als handle es sich um ein ja nicht zu versäumendes Amüsement. Während wir vor dem Gebäude der Kommandantur warteten, umdrängten uns Hunderte unserer neuen Kameraden, die in der schneeweißen Sauberkeit
Weitere Kostenlose Bücher