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In der Gewalt des Jadedrachen

In der Gewalt des Jadedrachen

Titel: In der Gewalt des Jadedrachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Morell
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Triadenführern wie Chen nicht wirklich schaden, aber sie konnten ihm das Leben schwer machen.
    Daher war es zumindest klüger, sich anzuhören, was der Mann von ihm wollte.
    „Es ist auch mir eine Ehre, mit der Hand des Drachen zu sprechen. Was kann ich für den Jadedrachen tun?“
    „Der Jadedrache hat gehört, dass sich eine Frau in der Gewalt der amerikanischen Polizei befindet. Ein gewisser Mark Forrester, Angehöriger des FBIs, hält sie angeblich im Hotel fest. Man hat ihr den Reisepass weggenommen und sie zum Verhör in die Botschaft gebracht. Und nun hat der Jadedrache gehört, dass Mark Forrester plant, diese Frau noch weiteren Verhören zu unterziehen.“ Er gab dem Wort „Verhören“ eine besondere Betonung, und als er weitersprach, ahnte Chen, worauf er abzielte. „Verhöre, die in einem Ihrer Häuser durchgeführt werden sollen, Chen Wing-Lun.“
    Chen warf seinem Neffen einen Blick zu. Dessen Augen hatten sich zu einem Schlitz verengt.
    Mit „einem Ihrer Häuser“ war ein Bordell gemeint. Eben einer der wenigen dunklen und nur mäßig rechtschaffenen Aspekte in Chen Wing-Luns geschäftlichen Aktivitäten. Er betrieb es über einen Strohmann, aber das Syndikat hatte nicht lange gebraucht, um hinter den wahren Eigentümer zu kommen. Und jetzt wollten sie dieses Wissen offenbar verwenden, um eine Gunst zu erlangen. „Der Jadedrache ist gut informiert.“
    „Unser Boss ist immer gut informiert, Mr. Chen, das ist auch der Grund, weshalb er eine führende Position unter den Triadenführern einnehmen kann.“
    Noch so ein Punkt, der Chen und die anderen störte: Diese selbsternannte Führerschaft dieses Subjekts. Viele Jahre lang hatten die Triaden ihre Rangkämpfe unter sich ausgefochten, gehindert nur durch die Polizei oder besonders ehrgeizige Politiker, aber im Großen und Ganzen hatten sie immer wieder ihre eigenen Grenzen abgesteckt. Aber nun war der Jadedrache aufgetaucht, ein Mann, den keiner kannte, der nur über gewisse Leute auftrat, der aber die besten Geschäfte an sich riss. Nicht, dass Onkel Chen in seiner Position das noch hätte stören müssen, es war rein eine Sache der Ehre. Der Gesichtsverlust, der ihnen durch einen Eindringling immer wieder zugefügt wurde, war schon lange nicht mehr akzeptabel.
    „Und weshalb rufen Sie mich heute an?“
    „Der Jadedrache wünscht zu beobachten, was in diesem Raum vor sich geht.“
    Ein Chinese sagte einem anderen nicht offen ins Gesicht oder über die Telefonleitung, dass er sich zum Teufel scheren sollte. Er drückte es höflicher aus. „So gerne ich dem Jadedrachen behilflich wäre, so sind mir in diesem Fall die Hände gebunden. Der Geschäftsführer dieses Hauses muss sich den Wünschen der Obrigkeit fügen.“
    „Die Obrigkeit muss ja nichts davon erfahren“, erwiderte die unangenehme Stimme.
    „In diesem Fall steht das Haus aber bereits unter Beobachtung. Sowohl seitens einiger Mitarbeiter des FBIs als auch seitens der Anti-Triad Squad.“ Die Anti-Triad Squad war eine eigens für die Bekämpfung der Triaden gegründete Einheit der Polizei und arbeitete tatsächlich eng mit Forrester zusammen.
    „Ich denke, das lässt sich alles regeln. Es ist sehr wichtig für den Jadedrachen, alles zu erfahren, was in diesem Raum vor sich geht. Er hofft auch, dass ein Mann wie Chen Wing-Lun Leute hat, die geschickt genug sind, heimlich eine Kamera zu installieren und dem Jadedrachen damit die Möglichkeit zu geben, alles mitanzusehen und mitzuhören.“
    „Darf ich fragen, weshalb diese Frau von so großem Interesse für den Jadedrachen ist?“
    „Nicht nur für den Jadedrachen. Diese Frau könnte Informationen preisgeben, die für uns alle gefährlich werden könnten.“
    Chen tauschte einen Blick mit seinem Neffen. Der schüttelte heftig den Kopf.
    „Wir gehen ein gewisses Risiko ein, wenn wir Angehörige der amerikanischen Regierung hintergehen.“
    Der Mann sprach weiter: „Der Jadedrache bittet mich, Sie an
guanxi
zu erinnern.“
Guanxi
war die auf gegenseitigen Diensten beruhende Freundschaft. Im Westen würde man vielleicht „Eine Hand wäscht die andere“ dazu sagen, aber in Wahrheit ging
guanxi
viel weiter. Es war eine Verpflichtung zur Gegenleistung. Ein Chinese, der ihr nicht nachkam, musste mit Konsequenzen und Schande rechnen und konnte sogar das Gesicht verlieren.
    Chen zuckte mit den Schultern. Sein Neffe presste die Lippen zusammen.
    „Es ist gut“, sagte Chen schließlich. „Ich werde die nötigen Vorkehrungen treffen.

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