In der Hitze der Nacht
irritiert. »Man kann aus allem etwas machen.«
»Wenn man Zeit hat . . . und Geld«, sagte Mar. »Wobei die Zeit das größere Problem ist.«
»Mußt du denn jedes Wochenende arbeiten?« fragte Tina. »Nimm dir die Zeit doch einfach. Du bist selbständig.«
»Das ist es ja eben«, sagte Mar. »Selbständig sein bedeutet, vierundzwanzig Stunden am Tag arbeiten, sieben Tage die Woche. Meistens. Da hattest du es als Angestellte besser.«
»Kommt mir jetzt wie ein richtiges Paradies vor«, sagte Tina. »Freitagnachmittag bis Sonntagabend frei.«
»Du hast es erfaßt.« Mar lächelte. »Jetzt habe ich dich den ganzen Weg von Köln hierhergeholt, nur dafür. Enttäuscht?«
Tina schaute sie an. »Nur dafür?« fragte sie erstaunt.
»Ich wußte es.« Mar seufzte. »Du bist enttäuscht. Keiner kann nachvollziehen, was ich für diese paar schiefen Planken empfinde.« Sie betrachtete wehmütig das Boot.
Tinas Blick ruhte für einen langen Augenblick auf Mar, wie sie da stand und fast wie ein kleines Kind auf dieses höchst unvollkommene Boot starrte. Es war, als ob in ihrem Inneren ein paar Weichen umsprängen. Eine nach der anderen und immer schneller, bis Tina zum Schluß hell auflachte. Als wären auf einmal Tausende von Ketten von ihr abgefallen, fühlte sie sich im tiefsten Inneren erleichtert. Und frei. »Doch«, sagte sie. »Ich verstehe das sehr gut.«
»Jetzt lachst du mich doch aus«, sagte Mar. Sie verzog das Gesicht. »Ich weiß, es ist albern.«
»Ist es überhaupt nicht.« Tina trat auf Mar zu und blieb nah vor ihr stehen. Sie hätte sie so gern geküßt. »Jeder Mensch muß etwas haben, das ihm ganz allein gehört«, sagte sie leise. Ihre Augen suchten Mars.
Mar nahm Tinas Blick kurz auf, dann drehte sie sich um und ging zum Auto. »Soll ich dich jetzt gleich nach Köln zurückfahren oder möchtest du noch etwas in Bonn erledigen?«
Tina schaute ihr irritiert hinterher. Was soll das? dachte sie. Wozu hat sie mich hierhergebracht? Wirklich nur, um mir das Boot zu zeigen? Dafür der ganze Aufwand? Sie folgte Mar zum Wagen. »Ich habe nichts mehr in Bonn zu erledigen«, sagte sie.
»Gut.« Mar nickte und stieg ein. »Dann bringe ich dich zurück.«
Tina stieg noch irritierter ebenfalls ein. Sie wußte nicht mehr, was sie von dieser ganzen Geschichte halten sollte. Mar wollte anscheinend nicht mit ihr schlafen, sie noch nicht einmal küssen oder berühren. Es war alles sehr verwirrend.
Bis zur Autobahnauffahrt sprachen sie kein Wort mehr. Als sie endlich auf der geraden Piste Richtung Köln dahinglitten, faßte Tina sich ein Herz. »Was willst du von mir, Mar?« fragte sie.
Mar blickte geradeaus auf die drei Spuren und wechselte nach einem kontrollierenden Blick in den Rückspiegel in die Mitte. »Nichts«, sagte sie. »Ich hatte nur gehofft, du magst mein Boot.«
»Ich mag es.« Tina schaute Mar an, aber Mar schaute nicht zurück. Sie konzentrierte sich ganz auf die Autobahn. »Ich mag es, weil . . . ich dich mag«, fügte Tina zögernd hinzu.
»Hm.« Mar warf nun doch kurz einen Blick zu ihr. »Das ist nett von dir.«
O mein Gott! Tina rang innerlich die Hände. Schlimmer konnte es kaum kommen. Sie unterhielten sich wie zwei freundliche Nachbarinnen, die gerade von einem Einkaufsbummel zurückkamen. Aber vielleicht will sie auch gar nicht mehr. Sie liebt mich nicht, findet es aber offensichtlich angenehm, ihre Zeit mit mir zu verbringen. Nur so, einfach nur so.
Tina schloß die Augen. Warum mußte ich mich in sie verlieben? fragte sie sich erneut. Warum nur? Habe ich das nicht schon oft genug gehabt, diese Aussichtslosigkeit?
»Ich . . . ich könnte mir vorstellen, daß du Hilfe gebrauchen könntest«, erwiderte sie in möglichst neutralem Ton. »Ich meine, ich habe Zeit – im Gegensatz zu dir.«
Mar lachte auf und drehte schnell den Kopf zu ihr. »Was willst du tun? Planken streichen?«
»Warum nicht?« Tina zuckte die Schultern. »Ich habe Hütten gebaut, den Boden festgestampft, geholfen Wasserleitungen zu legen . . . warum nicht mal ein Boot anstreichen?«
Mar runzelte die Stirn. »Es ist nicht nur das Anstreichen. Es muß auch viel repariert werden.«
»Da findet sich sicher auch eine Lösung«, sagte Tina.
»Du willst das wirklich tun?« fragte Mar. Sie schien erstaunt, als sie Tina nun erneut ansah.
»Es wird mir langsam schon langweilig«, erklärte Tina, »seit ich nicht mehr arbeite. Nicht daß ich meine alte Arbeit vermisse, aber immer nur zu Hause
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