In der Nacht (German Edition)
hat?«
» Was? « Nun liefen Figgis Tränen über die Wangen.
»Drei Schlafzimmer, und ausgerechnet in deinem hat sie es getan. Warum, Irv?«
»Du bist ein krankes, einsames Schwein. Ein krankes, einsames…« Figgis hob den Blick und sah über Joes Schulter, dann wieder auf seine Hüfte.
Abermals blickte Joe an sich herab. Und was er nun entdeckte, war noch nicht da gewesen, als er das Schiff verlassen hatte. Und es war auch nicht an seiner Hüfte, sondern an seinem Mantel. In seinem Mantel.
Ein Loch. Ein kreisrundes Loch auf der rechten Seite.
Figgis sah ihn an. Die nackte Scham stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Es…«, brachte er hervor. »Es tut mir so leid.«
Joe versuchte immer noch zu begreifen, was eigentlich passiert war, als Figgis urplötzlich auf die Straße sprang und sich vor einen herandonnernden Kohlelaster warf.
Der Lastwagen erfasste ihn, bevor der Fahrer überhaupt wusste, wie ihm geschah, und als er schließlich bremste, geriet das tonnenschwere Gefährt ins Schlingern, zermalmte Irving Figgis regelrecht, als er unter die Räder gerissen wurde.
Joe hörte immer noch das Kreischen der Bremsen, als er sich abwandte und das Loch in seinem Regenmantel abermals in Augenschein nahm. Die Kugel war von hinten eingedrungen, hatte den Stoff fein säuberlich durchtrennt, nur wenige Zentimeter von seinem Hüftknochen entfernt. Offenbar war ein Luftzug unter seinen Mantel gefahren, als er sich schützend über seine Familie geworfen hatte. Als er…
Er fuhr herum und erblickte Graciela, die sich aufzurichten versuchte, sah das Blut, das aus ihrem Bauch quoll. Mit einem Satz über die Motorhaube war er bei ihr, landete auf allen vieren neben seiner Frau.
»Joseph?«
Er hörte die Angst in ihrer Stimme. Die Gewissheit . Er riss sich den Mantel herunter. Die Wunde befand sich oberhalb ihrer Leiste, und er presste den zusammengeknüllten Stoff darauf, während er immer wieder das gleiche Wort ausstieß: »Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein!«
Sie versuchte nicht einmal mehr, sich zu bewegen. Wahrscheinlich fehlte ihr die Kraft dazu.
Eine junge Frau steckte den Kopf aus der Tür der Ankunftshalle, und Joe brüllte: »Einen Arzt! Holen Sie einen Arzt!«
Die Frau verschwand im Inneren der Halle, und Joe sah, wie Tomas ihn mit weit aufgerissenem Mund anstarrte, auch wenn kein einziger Ton über seine Lippen drang.
»Ich liebe dich«, sagte Graciela. »Ich habe dich immer geliebt.«
»Nein!«, rief Joe und presste seine Stirn an die ihre. Er drückte den Mantel auf die Wunde, so fest er konnte. »Nein, nein, nein. Du bist doch… Du bist… Nein!«
»Schhh.«
Er hob den Kopf, während das Licht in ihren Augen verdämmerte, mit jeder noch verbleibenden Sekunde schneller schwand.
»…mein Ein und Alles.«
29
Ein Mann seines Ranges
Er blieb Ybor gewogen, obwohl ihn nur noch wenige kannten. Sicher jedoch kannte ihn niemand als den Mann, der er gewesen war, als sie noch gelebt hatte. Damals war er stets freundlich und für einen Mann seines Metiers erstaunlich aufgeschlossen gewesen. Freundlich war er immer noch.
Einige sagten, er sei schnell gealtert. Sein Schritt wirkte unsicher, als würde er hinken, auch wenn dem keineswegs so war.
Manchmal nahm er den Jungen mit zum Angeln. Bei Sonnenuntergang bissen die Barsche am besten. Dann saßen sie auf der Ufermauer, und er zeigte ihm, wie man mit der Angelschnur umging. Hin und wieder legte er den Arm um die Schultern des Jungen, flüsterte ihm etwas ins Ohr und deutete über das Wasser, dorthin, wo Kuba lag.
Danksagung
Meine Dankbarkeit gilt:
Tom Bernardo, Mike Eigen, Mal Ellenburg, Michael Koryta, Gerry Lehane, Theresa Milewski und Sterling Watson für sein Feedback zum Manuskript.
Den Mitarbeitern des Henry B. Plant Museums des Don Vicente De Ybor Inn in Tampa.
Dominic Amenta von der Regan Communications Group für seine Auskünfte über das Hotel Statler in Boston.
Und ein spezielles Dankeschön an Scott Deitche für die Mafia-und-Zigarren-Tour durch Ybor City.
Foto: © Gaby Gerster / © Diogenes Verlag
DENNIS LEHANE, irischer Abstammung, geboren 1966 in Dorchester, Massachusetts, arbeitete als therapeutischer Berater für geistig behinderte und sexuell missbrauchte Kinder, als Kellner, Limousinenchauffeur, Parkplatzwächter, in Buchläden und als Erntehelfer, bevor er Creative Writing an der Florida International University studierte. Er bedauert, dass er nie die Gelegenheit bekam, Barkeeper zu sein. Sein
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