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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Michael?«
    »Ein Typ, den ich neben euch beiden noch an der Angel hatte. Er hat den ganzen Abend vor dem Hotel auf mich gewartet.«
    »Was? Warum?«
    Sie warf ihm einen abschätzigen Blick zu. »Ihr habt den ganzen Tag denselben Mist erzählt, Albert und du: Ich kann nicht ohne dich leben, Emma. Ich liebe dich über alles, Emma. Ich musste mich absichern, weil ihr euch über kurz oder lang gegenseitig umgebracht hättet. Was hatte ich denn für eine Wahl? Euer verdammter Hahnenkampf – ich wusste genau, dass ich mit keinem von euch beiden eine Zukunft hatte.«
    »Verzeih mir, dass ich dich geliebt habe«, sagte Joe.
    »Du hast mich nicht geliebt.« Sie konzentrierte sich auf eine besonders widerspenstige Scherbe, die sich zwischen zwei Pflastersteinen verklemmt hatte. »Du wolltest mich besitzen . Als wäre ich eine beschissene griechische Vase oder ein besonders schicker Anzug. Du wolltest mich deinen Freunden vorführen – na, wie findet ihr mein schönes Püppchen?« Und nun sah sie ihn an. »Aber ich bin kein Püppchen. Ich bin niemandes Besitz. Ich nehme mir, was ich will.«
    »Ich habe um dich getrauert«, sagte Joe.
    »Wie süß von dir, Schatz.«
    »Jahrelang.«
    »Das muss ja furchtbar gewesen sein. Unglaublich, was du ausgehalten hast.«
    Wieder trat er einen Schritt zurück, obwohl sie den Schlauch gar nicht auf ihn zuhielt, und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, wie einem Deppen, der so oft auf der Straße beklaut worden war, dass ihn seine Frau nicht mehr aus dem Haus ließ, ehe er ihr Portemonnaie und Uhr übergeben hatte.
    »Du hast dir die Kohle aus dem Schließfach unter den Nagel gerissen, stimmt’s?«
    »Du hast mir doch selbst den Schlüssel gegeben«, erwiderte sie kühl.
    Wenn es tatsächlich so etwas wie Ganovenehre gab, hatte sie natürlich recht. Er hatte ihr den Schlüssel in die Hand gedrückt, und von jenem Moment an war es allein ihre Entscheidung gewesen, was sie mit dem Geld anstellen wollte.
    »Und das andere Mädchen? Die Tote, deren Leichenteile sie gefunden haben?«
    Sie stellte das Wasser ab und lehnte sich an die Mauer des Bordells. »Erinnerst du dich noch, wie Albert damals davon geschwafelt hat, er hätte eine Neue?«
    »Ehrlich gesagt, nicht.«
    »Tja, sie war mit uns in dem Wagen. Ihren Namen habe ich nie erfahren.«
    »Du hast sie ebenfalls umgebracht?«
    Emma Gould schüttelte den Kopf. »Bei dem Unfall ist sie mit dem Kopf gegen den Fahrersitz geknallt. Keine Ahnung, ob sie da schon tot war, aber ich habe mir nicht die Mühe gemacht, es herauszufinden.«
    Wie der letzte Idiot kam er sich vor, während er ihr gegenüber auf der Straße stand. Wie ein verdammter, verdammter Narr.
    »Gab es irgendeinen Augenblick, in dem du mich geliebt hast?«, fragte er.
    Sie musterte ihn entnervt. »Ja, klar, einige sogar. Wir hatten schon Spaß miteinander, Joe, und wenn du mich richtig gevögelt hast, statt den verliebten Jüngling zu mimen, das war schon erste Klasse. Aber du musstest aus unserer Beziehung ja unbedingt etwas machen, das sie nie war.«
    »Was denn?«
    »Ich weiß es nicht… etwas Blumiges . Etwas, das nicht greifbar ist. Wir sind nicht Kinder Gottes und auch keine Märchengestalten, die sich ewig lieben. Wir leben in der Nacht und tanzen wie die Wilden, damit uns das Leben nicht einholt. Das ist unsere Welt.« Sie steckte sich eine Zigarette an, zupfte einen Tabakkrümel von ihrer Zunge und überließ ihn der Brise. »Glaubst du ernstlich, ich wüsste nicht, wer du bist, was aus dir geworden ist? Glaubst du nicht, ich hätte mir so meine Gedanken gemacht, als du plötzlich hier aufgetaucht bist? Wir sind frei. Väter, Brüder, Schwestern, alles passé, und kein Albert White dieser Welt wird uns je wieder ins Gehege kommen. Aber wir beide, wir sind noch da, und du kannst jederzeit bei mir vorbeisehen, wann immer du willst.« Sie trat auf ihn zu. »Was haben wir damals gelacht, Joe, und das könnten wir jetzt auch tun, hier in den Tropen, während wir auf unseren Satinlaken liegen und unsere Kohle zählen – kein Vogel dieser Welt könnte freier sein.«
    »Vergiss es«, erwiderte Joe. »Ich will gar nicht frei sein.«
    Sie reckte das Kinn und musterte ihn verwirrt, ehe ein Ausdruck aufrichtigen Bedauerns in ihre Augen trat. »Aber genau das haben wir uns doch immer gewünscht.«
    » Du hast es dir gewünscht«, sagte Joe. »Und jetzt hast du ja, was du wolltest. Mach’s gut, Emma.«
    Ein harter Zug erschien um ihren Mund. Kein Wort des Abschieds kam

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