In der Oase unserer Traeume
sie in den vergangenen Jahren stets von einer tiefen Traurigkeit umgeben gewesen war.
Als Jamilah am nächsten Tag durch die Hotelhalle ging, hatte sie das Gefühl, jeder würde sie anstarren. Konnten die Menschen ihr etwa ansehen, dass die Schutzschicht, mit der sie sich in den letzten Jahren umgeben hatte, verschwunden war?
Nach einer Weile fragte sie sich, ob sie etwas im Gesicht hatte, und überprüfte ihr Aussehen in einem Badezimmerspiegel. Sie schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse. Trotz der Tatsache, dass sie letzte Nacht schlecht geschlafen hatte, strahlte ihre Haut, und ihre Augen glänzten. Ihre Lippen waren von Salmans Küssen geschwollen, und sie prickelten bei der Erinnerung an die vergangene Nacht.
In diesem Moment trat eine Bekannte aus einer der Toilettenkabinen heraus. Jamilah riss sich zusammen und grüßte freundlich.
Die andere Frau lächelte zurück und wollte schon weitergehen, doch dann drehte sie sich plötzlich noch einmal um. „Jamilah“, sagte sie zögernd. „Ich weiß, dass es mich nichts angeht, aber ich denke, Sie sollten wissen, dass Ahmed El-Salamouny Gerüchte über Sie und Salman al Saqr verbreitet.“
„Was? Aber … ich hatte keine Ahnung.“ Jamilah spürte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. „Danke, dass Sie es mir gesagt haben.“
Als sie wieder allein war, stützte sie beide Hände auf ein Waschbecken, ließ den Kopf zwischen die Arme hängen und seufzte tief. Kein Wunder, dass die Leute sie so angestarrt hatten.
Trotz ihres Ärgers konnte sie Ahmed sogar ein wenig verstehen. Zweimal hatte er sich Hoffnungen gemacht, und beide Male hatte sie ihn wegen Salman abblitzen lassen. Das änderte allerdings nichts daran, dass ihr Ruf ruiniert war.
Nicht, dass sie sich deshalb wirklich Sorgen machte. Sie war nicht denselben strengen Regeln unterworfen wie viele andere Frauen aus ihrem Teil der Welt.
Sie hatte keine Familie mehr, und ihr Vater war Franzose. Sie war immer ein wenig anders gewesen. Dennoch war es äußerst peinlich, dass im Laufe weniger Stunden der ganze Palast Bescheid wissen würde. Und Salman konnte mit einer weiteren Eroberung prahlen.
Jamilah richtete sich auf und strich ihr Haar glatt, bevor sie mit erhobenem Kopf wieder in die Halle ging. Sie musste sich für nichts schämen. Zwar bereute sie inzwischen bitter, dass sie sich noch einmal von Salman hatte verführen lassen, aber das ging niemanden außer ihr etwas an.
Nachdem Salman ihr von den Qualen seiner Kindheit erzählt hatte, konnte sie nicht länger so tun, als wäre er ihr gleichgültig. Sie sehnte sich danach, ihn in ihren Armen zu halten und seine seelischen Wunden zu pflegen. Aber er hätte nicht deutlicher machen können, dass es das Letzte war, was er wollte.
Zum Glück war ihr Tag voller Termine, sodass sie Salman nicht begegnete. Doch als sie am Nachmittag die Tür zu seiner Suite öffnete, stand er vor ihr, bevor sie in ihr eigenes Zimmer gehen konnte. Offensichtlich hatte er auf sie gewartet.
„Heute Abend muss ich eine Wohltätigkeitsveranstaltung besuchen, und ich möchte, dass du mich begleitest“, erklärte er ohne Einleitung.
Er trug einen Smoking, in dem er zwar nicht so exotisch aussah, aber dafür äußerst elegant. Jamilah versuchte, den Schauer zu ignorieren, der ihr beim Klang seiner dunklen, männlichen Stimme über den Rücken lief.
„Nein …“, setzte sie an, aber plötzlich zögerte sie.
Salman stand breitbeinig vor ihr, seine Hände waren lässig in die Hüften gestützt. Sie wusste, dass er mit seiner Haltung Macht und Selbstbewusstsein ausstrahlen wollte, aber seine Augen sahen verletzlich aus.
„Das heißt … um was für eine Wohltätigkeit handelt es sich?“
„Eine Organisation, die ich vor einigen Jahren ins Leben gerufen habe.“
„Du hast eine Wohltätigkeitsorganisation gegründet?“, fragte sie ungläubig.
„Offensichtlich hast du Menschenfreundlichkeit nicht gerade für eine meiner stärksten Eigenschaften gehalten“, bemerkte Salman zynisch.
Jamilah errötete und murmelte eine undeutliche Erwiderung. Immer wieder überraschte Salman sie aufs Neue mit einer weiteren Facette seiner Persönlichkeit.
Sie versuchte, gleichgültig zu bleiben, aber sie schaffte es nicht, ihre Neugier zu unterdrücken. „Worum geht es bei dem Projekt? Ich habe noch nie gehört, dass du dich als Wohltäter engagierst.“
Salman zuckte die Schultern. „Die Organisation läuft auf einen anderen Namen. Ich ziehe es vor, anonym zu bleiben.“
Jamilah
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